Die Tierheim-Akademie – Wie Hunde besser vermittelbar werden

Von Sonja Meiburg

+++ LESEPROBE +++ aus der SPF 30

 

Samstagnachmittag, 16 Uhr, im Tierheim. Besucher gehen langsam durch die Zwingerreihen und wildes Gekläffe schlägt ihnen entgegen. Von links hört man eine ältere Dame zu ihrem Mann sagen: „Also wenn der so bellt, dann nehmen wir den aber nicht.“ Dabei wäre der kleine Mischling Monty, den die beiden sich anschauen, genau der richtige Hund für sie. Er ist freundlich, gelehrig und verschmust. Das können sie aber nicht wissen, da sie von dem aufgeregten Gebell abgeschreckt werden.

 

Solche Szenarien spielen sich immer wieder im Tierheim ab. Mögliche Interessenten werden durch das unkontrolliert und zum Teil aggressiv wirkende Verhalten der Hunde verprellt. Dabei ist es oft nur Aufregung, die die Hunde zum Bellen bringt. Hundeanfänger, die die Situation und auch die Hunde nicht gut einschätzen können und die einen ruhigen, netten Vierbeiner suchen, wenden sich dann schnell ab. Auch wenn die Tierheim-Mitarbeiter, die die Hunde viel besser kennen und nicht nur in diesen aufregenden Besuchssituationen erleben, aus der Tiefe ihres Herzens versichern: „Das ist wirklich ein ganz Netter!“, schreckt das Gebell häufig ab.

„Schade eigentlich“, dachte sich Sonja Meiburg. „Es wäre schön, wenn wir da helfen könnten.“ Sie trommelte 70 Trainer zusammen, die alle ein Ziel haben: das Leben der Hunde in den Tierheimen und auf Pflegestellen durch möglichst einfach umsetzbare Maßnahmen so zu verändern, dass sie ruhiger und gelassener werden.

„Wir möchten die unglaublich wichtige, unersetzliche und oft kräfteraubende Arbeit von Tierheim- und Pflegestellen-Mitarbeitern unterstützen“, sagt Sonja Meiburg. „Wir schulen und beraten zu einfachen Maßnahmen, die die Lebensqualität von Hunden im Tierheim und auf Pflegestellen verbessern, sodass die Hunde entspannter den Tierheim-Alltag meistern können. Entspannte Hunde sind gelassener im Umgang, können besser trainiert und einfacher vermittelt werden.“

Die Arbeit, die Tierheime und Pflegestellen leisten, wird von Außenstehenden oft unterschätzt. Viele Menschen wissen gar nicht, wie der Alltag in einem Tierheim abläuft, auf was die Mitarbeiter alles achten müssen und was sie täglich stemmen müssen. Das ist viel mehr als ein wenig Gassi zu gehen oder die Hunde zu füttern. Pflegerinnen und Pfleger gehen oft über ihre Kräfte, um den Tieren zu helfen. Geregelte Arbeitszeiten sind selten.

Da müssen nicht nur Zwinger gereinigt und Hunde gefüttert werden, sondern da muss der 60 Kilo schwere Herdenschutzhund Hugo tierärztlich versorgt werden, weil er sich beim Gassigehen eine Kralle aufgerissen hat. Da Hugo den Anblick des Tierarztes mit Schmerzen verbindet, wehrt er sich heftig gegen die Behandlung. Hier braucht es erfahrene Unterstützung, um den Mitarbeitern zu zeigen, wie sie mit Hugo am besten umgehen. Wie sie ihn an einen Maulkorb gewöhnen und ihm die Behandlung möglichst schmackhaft machen.

Da gibt es den Bernhardinermix Ole, der, wie der Pfleger sagt, „aus heiterem Himmel“ demjenigen an die Kehle geht, der das Futter bringt. Da gibt es die Schäferhündin Kira, die nicht ins Auto einsteigen möchte und um sich beißt, wenn die Gassigängerin versucht, sie hineinzuheben, sonst aber eine absolut verschmuste und liebevolle Zuckermaus ist. Da gibt es den kleinen Terriermix Charly, der im Zwinger verkümmert, weil er so allein ist. Bisher konnten seine Betreuer aber noch keinen Hund finden, der mit ihm in seinem Zwinger zusammenleben könnte. „Erst letzte Woche haben sich im Auslauf zwei Jungs in die Köppe gekriegt, die sich sonst eigentlich gut verstehen. Wir hatten etwas Mühe, die Rauferei zu beenden, und können uns nicht erklären, wie das passieren konnte.“ Und es gibt auch noch die kleinen schüchternen Seelchen, die nicht fressen können, wenn es irgendwo bellt oder ein Mensch am Zwinger vorbeigeht. Die im Schutz der Nacht schnell ein paar Bissen zu sich nehmen und dann gleich wieder in ihrer Ecke verschwinden. Die, die etwas Vertrauen zum Menschen brauchen. Und nicht zu vergessen die vielen, vielen verspielten und unkomplizierten Vierbeiner, die die Gegenwart von Menschen wunderbar finden und sich jedes Mal einfach nur lautstark freuen, wenn ein Zweibeiner an ihrem Zwinger vorbeigeht.

Jeder dieser Hunde brauchte eigentlich eine individuelle Betreuung, ein individuelles Training. Und das alles quasi nebenbei im stressigen Tierheim-Alltag. Aber Dinge, mit denen manchmal schon ein Hundehalter bei seinem eigenen Tier überfordert ist, können im Tierheim nicht mal so im Vorbeigehen behoben werden. Die Brücke zwischen der Grundversorgung aller Tiere und der notwendigen individuellen Betreuung ist ein ziemlicher Spagat, der sowohl auf Kosten der Hunde, als auch auf Kosten der Nerven und Kräfte der Tierheim-Mitarbeiter geht. Tierheim-Alltag halt.

Gassigänger können diese Brücke etwas stabiler gestalten, indem sie den Mitarbeitern einiges an Entspannungs- und Trainingsarbeit abnehmen. Aber dafür müssen sie geschult werden, damit sie die Probleme der Hunde trotz guten Willens, Engagement und viel Liebe nicht noch schlimmer machen. Es kommt zum Beispiel nicht selten vor, dass sich ein Hund wie verrückt auf das Gassi freut und deswegen kläfft und springt und in die Leine rennt. Wenn der Gassigänger dann, weil er selbst überfordert ist, versucht, den Hund durch Leinenrucke oder bedrohliche Körpersprache zu bändigen, kann der Schuss auch mal nach hinten losgehen. Es kann passieren, dass der Hund nach einigen Wiederholungen in seiner Aufregung nach dem Verursacher der Schmerzen schnappt. Und prompt steckt der Hund in der Schublade „Vorsicht, bissig!“, die nicht hätte sein müssen, wenn der Mensch etwas besonnener und mit mehr Wissen an die Situation herangegangen wäre. Gassigänger leisten sehr wertvolle Hilfe und sind aus dem Tierheim-Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie können sogar noch mehr Hilfe leisten, wenn jemand sie anleitet und ihnen ein paar Tipps für das richtige Gassigehen gibt. Sie können den Tierheim-Hunden ein Gefühl von Ruhe, Gelassenheit und Entspannung geben. Sie können kleine, speziell auf den Vierbeiner abgestimmte Übungen durchführen und die Vermittlung so erleichtern. Und sie können den Hunden ein wenig Geborgenheit und Vertrauen ins Leben und in die Menschen zurückgeben.

Die Tierheim-Akademie setzt genau an diesem Spagat an. Die Trainer der Akademie schulen die Mitarbeiter im Tierheim und auf Pflegestellen und die Gassigänger. Manchmal braucht es nur eine kleine Umstellung der Tagesroutine, um etwas mehr Ruhe in den Tierheim-Alltag zu bringen. Manchmal reicht es aus, den Gassigängern eine andere Spazieroute zu zeigen, auf denen sie besser mit ihrem Schützling entspannen und arbeiten können als auf der „Tierheim-Autobahn“. Und manchmal lässt sich durch gezieltes Nebenbei-Füttern etwas Entspannung in die Zwinger bringen, wenn ein Mensch den Gang betritt. Solche Maßnahmen gibt es zuhauf. Kleine, aber feine Ansätze, die zu relaxteren und leichter vermittelbaren Hunden führen. Zusätzlich dazu braucht es noch ganz konkrete Hilfe für schwierige Hunde.

Dafür wird die Tierheim-Akademie direkt in die Tierheime gehen und vor Ort Hilfestellung geben. Im Augenblick entstehen durch die Zusammenarbeit der Trainer Schulungsmodule zu verschiedenen Themen, abgestimmt auf die Situation in Tierheimen und Pflegestellen. Zu diesen Themen gehören „Die Körpersprache des Hundes“ (dieses Schulungsmodul ist bereits fertig), damit Mitarbeiter und Gassigänger ihre Schützlinge besser lesen und angepasst auf sie reagieren können. Außerdem ist gerade das Modul „Training mit Tierheimhunden“ in Arbeit, in dem die wichtigsten und sinnvollsten Übungen für mehr Sicherheit und Ruhe im Tierheim-Alltag vorgestellt werden und wie sie im Tierheim-Alltag am besten erarbeitet werden. Ganz aktuell erstellen die Trainer das Modul „Arbeit mit aggressiven und ängstlichen Hunden“. Danach stehen die Module an, die so wichtig sind und dabei oft unterschätzt werden: „Selbstfürsorge für Tierheim-Mitarbeiter“ und „Topf trifft Deckel – Vermittlung optimal gestalten“.

Das Besondere: Die Schulungsmodule richten sich nach den Grundsätzen der Trainergemeinschaft „Trainieren statt dominieren“. Das bedeutet, dass die Trainer in ihren Schulungen auf Angst-, Schreck- und Schmerzreize verzichten, sodass sich das Training durch einen durchweg freundlichen und kompetenten Umgang mit dem Hund auszeichnet.

Sonja Meiburg möchte diese Arbeit öffentlich machen und so möglichst viele Hundehalter und Interessenten für die Goldschätze sensibilisieren, die oft hinter Tierheimgittern hocken. Daher wird ihr Team von Hey-Fiffi.com, das sehr große Erfahrung in der Erstellung von Trainingsfilmen hat, anrücken und das Training und die Hunde für die Vermittlung professionell gefilmt in Szene setzen. Außerdem werden Schulungsmodule und Übungen filmisch festgehalten und so weiteren Mitarbeitern zur Verfügung gestellt. „Auf diese Weise schlagen wir zwei Filme mit einer Klappe“, sagt Sonja Meiburg. „Wir geben Wissen und Ideen an Mitarbeiter und Gassigänger weiter. Und wir stellen gleichzeitig die zu vermittelnden Hunde vor, sodass sich mögliche Interessenten gleich ein optimales Bild machen können.“

Die Tierheim-Akademie ist zur Zeit noch in der Vorbereitungsphase. Die Finanzierung, der genaue Ablauf der Fortbildungen, die Erstellung der Module, all das will sorgfältig vorbereitet werden, damit die Schulungen und die Hilfe vor Ort optimal durchgeführt werden können. Die Hundetrainer arbeiten in ihrer Freizeit mit Hochdruck an den Schulungsmodulen. Wenn diese fertig sind, geht die Akademie offiziell an den Start. Voraussichtlich wird das in den ersten Monaten des neuen Jahres sein. Interessierte Tierheime können sich bereits jetzt bei Sonja Meiburg melden: info@tierheim-akademie.de.

 

Weitere Infos:

Die Facebook-Seite der Tierheim-Akademie: https://www.facebook.com/tierheimakademie/

Trainieren statt dominieren: www.trainieren-statt-dominieren.de

Hey Fiffi: www.hey-fiffi.com

 

+++ LESEPROBE aus der SPF 30 +++ Die Ausgabe kann als Einzelheft versandkostenfrei im Cadmos-Shop bestellt werden.

 

 

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