Rally Obedience – Ein Trendsport erobert Deutschland

– Leseprobe aus SPF 13, Oktober, November, Dezember 2013 – Interview mit Angelika Schröder und Manuela Klucken

Vor ziemlich genau einem Jahr wurde Rally Obedience in Deutschland durch den VDH als Funsport anerkannt. Seither werden immer mehr Trainingsgruppen gegründet und Turniere veranstaltet. In der Schweiz und vor allem in den skandinavischen Ländern setzte die Begeisterung schon deutlich früher ein. Wer es einmal ausprobiert, versteht schnell, warum hier ein neuer Trend entsteht: Rally Obedience ist eine lockere, abwechslungsreiche Beschäftigung, in der man ohne große Vorkenntnisse mit viel Spaß einsteigen kann! Die Kombination aus klassischen Gehorsamsübungen, aber auch vielfältigen neuen Herausforderungen und einem immer wieder neu zusammengestellten Parcoursverlauf ist dabei der eine Teil. Mindestens ebenso wichtig ist die Tatsache, dass nach Belieben mit dem Hund kommuniziert und er gelobt werden darf – für traditionelle Obediencesportler gar nicht so einfach zu glauben.

Man muss weder Mitglied in einem Verein sein, noch braucht man eine Begleithundeprüfung, um an offiziellen Prüfungen teilzunehmen. Diese verlaufen etwas unterschiedlich, abhängig davon, welches Regelwerk zugrunde gelegt wird. SitzPlatzFuss hat Angelika Schröder und Manuela Klucken dazu befragt, weil beide als Rally-Obedience-Enthusiasten an der Entwicklung zweier verschiedener Reglements beteiligt waren.

 

Foto: Angelika Schröder
Foto: Angelika Schröder

SitzPlatzFuss: Angelika, wie bist du zum Rally Obedience gekommen und was begeistert dich an diesem Hundesport?

Angelika Schröder: Rally Obedience kenne ich seit 2000 von der Internetseite www.spass-mit-hund.de, die von Christina Sondermann betrieben wird. Aktiv habe ich mich allerdings erst ab 2009 diesem Hundesport zugewendet, als ich auf der Suche nach einer sinnvollen Beschäftigung für unseren damals zehnjährigen Australian-Shepherd-Rüden war, der mit Begeisterung am Agility teilgenommen hatte und nun aus gesundheitlichen Gründen körperlich geschont werden sollte.
Am Rally Obedience begeistert mich alles: Dieser Hundesport fordert einerseits viel Konzentration von Hundeführer und Hund, andererseits wird körperlichen Einschränkungen beider Teampartner Rechnung getragen. Rally Obedience bildet Hunde aus, es formt Teams aus Hund und Mensch, es schult den Menschen darin, seinen Hund lesen zu können; es schult den Hund darin, auf seinen Menschen zu achten. Bei konsequenter Teilnahme kann selbst das ungeübteste Team nicht verhindern, dass es immer enger zusammenwächst, dass der Hund sich immer besser konzentrieren und seinen Menschen verstehen kann und dass sowohl der Hund wie auch der Mensch immer besser ausgebildet werden.

 

SPF: Manuela, wie war das bei dir?

Manuela Klucken: Vor etwa zehn Jahren hörte ich von einem neuen Trend in den USA, der in sehr kurzer Zeit sehr viele Hundesportler begeisterte. Als Hundesport konnte ich Rally Obedience damals nicht begreifen, denn die zum Beispiel von Christina Sondermann skizzierte Spielanleitung, aber auch das Regelwerk der „Association of Pet DOG Trainers“ (www.apdt.com) ordnete ich nicht zuletzt wegen der erlaubten Futterbelohnungen im Wettkampf eher in den Bereich „Beschäftigungsideen mit Hund“ ein.

Dann erfuhr ich, dass sich Rally Obedience auch in anderen amerikanischen Hundezucht- und Sportverbänden weiterentwickelt hatte und, alternativ zu den oben genannten, weitere, sehr unterschiedliche Regelwerke existieren. Der Vergleich dieser Regelwerke weckte bei mir das Interesse an diesem Sport. Gemeinsam mit Freunden begann ich zu trainieren und auszuprobieren, schaute mir später auch Turniere in Dänemark an und schrieb für die sich lose zur Interessengemeinschaft Rally Obedience Deutschland zusammengeschlossenen Rally-Obedience-Sportler ein eigenes deutschsprachiges Regelwerk, den „Leitfaden Rally Obedience für Prüfungen und Wettkämpfe“, den ich Anfang 2009 auf meiner privaten Homepage veröffentlichte.

Seit 2010 habe ich für den Sport Rally Obedience eine eigene Homepage eingerichtet (www.rally-obedience-deutschland.de), auf der ich neben dem Regelwerk und dessen Aktualisierungen diverse Informationen zur Verfügung stelle. Anfang 2012 habe ich dann dieses Regelwerk dem Club für Britische Hütehunde (CfBrH) e. V., bei dem ich Mitglied bin, angeboten und an der Erarbeitung eines Club-Regelwerks mitgewirkt, das 2012 veröffentlicht wurde und seit dem 01.01.2013 gültig ist.

Beim Rally Obedience begeistert mich, ähnlich wie beim Agility, die Freiheit der Interaktion zwischen mir und meinem Hund, während ich ihn durch den Parcours führe, dessen Einzelübungen zwar bekannt sind, jedoch nicht deren jeweilige Zusammenstellung. Ich mag es, dass ich nicht auf bestimmte Signale festgelegt und meiner Körpersprache beraubt werde, sondern die Möglichkeit habe, meinen Hund zu ermutigen, anzufeuern und zu loben, um ihn motiviert, freudig und bestmöglich präsentieren und gemeinsam mit ihm die gestellte Aufgabe lösen zu können. Als Wertungsrichterin begeistern mich Teams, deren Vorführung die Freude von Mensch und Hund an der Zusammenarbeit widerspiegeln.

 

SPF: Manuela, für welche Hunde und Menschen eignet sich Rally O?

M. K.: Rally Obedience ist meiner Meinung nach für jedes Mensch-Hund-Team geeignet und der Beziehung zueinander förderlich. Jeder Mensch, der bereit ist, mit seinem Hund freundlich und ohne Zwang zu arbeiten, ist im Rally Obedience gut aufgehoben, denn harscher Umgang und körperliche Manipulationen sind nicht erlaubt.

Diese Sportart ist für nahezu jeden Hund geeignet, denn die einzelnen Übungen können von kleinen, mittleren und sogar sehr großen Hunden ausgeführt und zu kleinen oder größeren Übungseinheiten zusammengefügt werden. Sie lassen sich zum Beispiel auf das Alter des Hundes und gegebenenfalls Handicaps abstimmen. Die wenigen geforderten Sprünge (Hochsprung/Weitsprung) sind eher niedrig (10–40 cm) und können, wenn nötig, deutlich abgesenkt werden, zum Beispiel im Seniorenbereich, oder es wird ganz auf die Abwurfstange verzichtet, wenn eine entsprechende Einschränkung in der Sprungmobilität des Hundes vorliegt.

 

SPF: Angelika, es gibt inzwischen in Deutschland zwei verschiedene Reglements, nach denen trainiert und auf Prüfungen gestartet wird. Was ist dir am VDH-Reglement, das du mitentwickelt hast, besonders wichtig?

A. S.: Das VDH-Reglement ist in Anlehnung an das damals vorliegende APDT-Reglement (American Pet Dog Trainer) entstanden und hat sich daraus entwickelt. Das Besondere an diesem Regelwerk (auch im Gegensatz zu dem des American Kennel Clubs) ist unter anderem, dass in den unteren Leistungsklassen nach bestimmten Übungen mit Futter belohnt werden darf. Die Übungen können auch von Menschen mit körperlichen Behinderungen ausgeführt werden.

 

SPF: Manuela, wie sieht es mit dem Reglement des CfBrH e. V. aus?

M. K.: Es gibt in Deutschland mehr als zwei Regelwerke, jedoch nur zwei Verbandsregelwerke innerhalb des VDH. Am CfBrH-Regelwerk gefällt mir die große Bandbreite der möglichen Übungen (zurzeit 102 – weitere stehen zur Verfügung) und die Herausforderung, den Hund in der Klasse 3 auch auf der rechten Seite zu führen (ähnlich zum Regelwerk in Dänemark).

Rally Obedience ist gerade auch für ältere Hunde geeignet. Deshalb gefällt mir die Möglichkeit, sich gemäß CfBrH-Regelwerk auch im Seniorenbereich von einer Klasse zur nächsten weiterentwickeln zu können und bei Wettkämpfen nicht auf einem festgelegten Leistungsniveau geparkt zu werden.

Und ganz wichtig ist mir der Verzicht auf Futterbelohnungen während der Vorführung. Im Training arbeite ich mit dem Clicker, verstärke und belohne gern und häufig, mit Futter, Spielzeug oder anderen, eben für den jeweiligen Hund interessanten Dingen und Aktionen. Ich denke, man sollte im Training beim Hund eine Erwartungshaltung aufbauen und diese im und für den Wettkampf nutzen. Für mich als Hundesportlerin ist der Futtereinsatz im Wettkampf ein „No-Go“.

 

SPF: Wäre es für die Hundesportler nicht schöner, ein einheitliches Reglement zu haben, sodass die Ergebnisse von allen Prüfungen gegenseitig anerkannt werden würden? Warum ist es zu keiner Einigung zwischen den Verbänden gekommen?

M. K.: Schöner? Natürlich wäre es einfacher, aber es ist nicht unbedingt notwendig. Meiner Meinung geht es bei der Beschäftigung mit seinem Hund nicht in erster Linie um Wettkämpfe, Prüfungen, Ergebnisse und deren Anerkennung, sondern darum, gemeinsam Spaß zu haben.

In den USA existieren viele Rally-Obedience-Regelwerke nebeneinander und jeder Hundehalter hat die Möglichkeit, an sehr verschiedenen Prüfungen und Wettkämpfen teilzunehmen. Viele amerikanische Teams starten bei verschiedenen Organisationen. Sie sind bereit, sich mit dem jeweiligen Regelwerk, den Startvoraussetzungen und den geforderten Übungsausführungen auseinanderzusetzen und müssen sich jeweils neu qualifizieren. Für sie scheint es kein Problem zu sein. Warum sollten deutsche Teams damit ein Problem haben? Es gibt in den USA Rally Judges, die berechtigt sind, bei verschiedenen Organisationen nach verschiedenen Regelwerken zu richten. Auch sie haben kein Problem damit, die Unterschiede herauszustellen und entsprechend zu bewerten. Warum sollten deutsche Richter damit ein Problem haben?

Die Frage der Einigung auf ein Regelwerk hat sich meines Wissens nach zwischen den Verbänden nicht gestellt, denn 2012 haben nahezu zeitgleich und unabhängig voneinander sowohl der DVG als auch der CfBrH beschlossen, Rally Obedience in ihr Sportangebot aufzunehmen. Eine Mitwirkung der Mitgliedsverbände des VDH am DVG/VDH-Regelwerk wurde, so weit ich weiß, nicht ermöglicht.

Schon zuvor wurde Rally Obedience mehrere Jahre lang in Deutschland nach zwei unterschiedlichen Regelwerken trainiert. Es gab das Regelwerk der Interessengemeinschaft Rally Obedience Deutschland (IG ROD) und das Regelwerk der RO-Turniergruppe (ROT). Beide Gruppen haben sich in vielerlei Hinsicht ausgetauscht, jedoch wurde aufgrund unterschiedlicher Ansichten, insbesondere über die Verwendung von Futter im Wettkampf, keine Übereinstimmung erzielt. Daher ist es eigentlich eher positiv zu bewerten, dass Hundesportler ihren Ansprüchen entsprechend wählen können.

A. S.: In den USA gibt es seit vielen Jahren zwei unterschiedliche Regelwerke nebeneinander. Hundesportler, die an Turnieren teilnehmen, wissen, dass es sowohl Varianten in den Übungen als auch in der Bewertung gibt, und stellen sich darauf ein. Unter den Hundesportlern, die in Deutschland Rally Obedience betreiben, sind auch einige, die beide Regelwerke kennen und auf Turnieren unterschiedlicher Verbände starten.
Die Anzahl der Teams, die nach dem VDH-Reglement trainieren und auf Turnieren starten, ist von Anfang 2012 bis jetzt von circa 50–75 Teams auf weit über 500 gewachsen. Die Zeit wird zeigen, ob beide Regelwerke langfristig nebeneinander bestehen bleiben.

 

SPF: In anderen Ländern wurde Rally O schon viel früher zum neuen Trend – wird überall das Gleiche trainiert und verlangt?

A. S.: Die grundsätzlichen Übungen in den unteren Leistungsklassen (wie Sitz, Platz, Sitz-Platz-Sitz o. ä.) sind in allen Ländern vertreten. Da finden sich große Übereinstimmungen. In den höheren Leistungsklassen sind die Länder unterschiedliche Wege gegangen. Manche haben Sequenzen aus dem Agility hineingenommen, oder aus dem DogDance oder dem klassischen Obedience, was dann doch zu erheblichen Unterschieden führt.

M. K.: Seinen Ursprung hat Rally Obedience in den USA, wo es 2000 von Charles Kramer entwickelt wurde. In den vergangenen 13 Jahren haben sich daraus in den USA und Kanada viele verschiedene Richtungen entwickelt, die zwar alle auf dem ursprünglichen Konzept basieren, aber unterschiedliche Schwerpunkte setzen und Zielgruppen ansprechen. Inzwischen ist Rally Obedience auch auf dem europäischen Kontinent in vielen Ländern als Sportart vertreten und auch hier zeichnen sich unterschiedliche Tendenzen ab. Dies gilt für die Teilnahmevoraussetzungen, die Übungsauswahl, die Anforderungen an Hund und Mensch als auch hinsichtlich der zu erreichenden Qualifikationen.

 

SPF: Was wünscht ihr euch für die Zukunft dieses hierzulande noch jungen Sports?

M. K.: Ich wünsche mir, dass dieser Sport hier eine ähnliche Entwicklung nimmt wie in den USA und Rally Obedience noch viel mehr Hundehalter erreicht. Außerdem hoffe ich, dass uns in Deutschland wie in den USA mehrere Regelwerke zur Verfügung gestellt werden und nebeneinander bestehen (bleiben), damit jeder die Chance hat, das Passende zu wählen, und den Spaß an der Zusammenarbeit mit seinem Hund entdecken kann.

A. S.: Ich wünsche mir weiter so viele begeisterte Teilnehmer, wie sie in den vergangenen Monaten dazugekommen sind, weil es natürlich immer besser ist, sich überhaupt mit dem Hund zu beschäftigen, als nur spazieren zu gehen.

rallyobedience 

Angelika Schröder…

lebt mit ihrem Mann und drei Australian Shepherds in Niedersachsen. Nachdem Sie Rally-Obedience als ideale Beschäftigung für Ihren Hundesenior kennen- und schätzen gelernt hatte, baute sie in ihrer privaten Trainingsgruppe die Sparte Rally Obedience auf und beteiligte sich überregional intensiv am Aufbau eines Trainer- und Richternetzwerkes mit dem Ziel, Rally Obedience als attraktiven Turnier-Hundesport in Deutschland zu verbreiten. Angelika Schröder ist Richterin für Rally-Obedience-Prüfungen und hat am neuen Reglement des DVG mitgewirkt. Ihr Buch „Rally Obedience. Der Hundesport für jedermann“ ist im August im Cadmos Verlag erschienen.

[Buchcover Rally-O abbilden]

Weitere Informationen:

www.flotte-pfoten-lengede.de

 

Manuela Klucken

 lebt mit ihrem Mann, fünf Border Collies und zurzeit 30 Rauwolligen Pommerschen Landschafen in Niedersachsen. Sie ist seit 1999 im Agility und seit 2003 im Rally Obedience aktiv. Sie engagiert sich seit Jahren für die Verbreitung von Rally Obedience in Deutschland (IG Rally Obedience Deutschland) mit eigenen deutschsprachigen Regelwerk und einem überregionalen Trainer- und Richternetzwerk.

Manuela Klucken war Richterin für Rally Obedience Wettkämpfe im CfBrH e.V. und hat am 2012 entwickelten CfBrH Regelwerk Rally Obedience maßgeblich mitgewirkt. Inzwischen ist ihr Verein „Doggels“ jedoch nicht länger eine Arbeitsgruppe des CfBrH, sondern Mitglied im DSV und trainiert ebenfalls nach VDH-Reglement.

Weitere Informationen:

www.doggels.de

 

 

 

Teile diesen Beitrag