Lebenssaft: Blutspenden von und für den Hund
Leseprobe aus der Ausgabe SPF 19
Von Sylke Schulte
Schon Mephisto in Goethes Faust wusste: „Blut ist ein ganz besonderer Saft“ – und recht hatte er. Diese besondere Körperflüssigkeit wird vom Herzen durch den ganzen Körper gepumpt und erfüllt dabei verschiedene Funktionen: Sie transportiert zum Beispiel Sauerstoff, Hormone und Nährstoffe in die Zellen und transportiert Stoffwechselendprodukte ab, sie schützt gegen Fremdkörper und Antigene, gewährleistet eine konstante Körpertemperatur, unterstützt die Atmung und enthält Gerinnungsfaktoren und Blutplättchen, die für eine funktionierende Blutgerinnung vonnöten sind. Ohne Blut kann nicht nur der menschliche Körper nicht funktionieren – auch unsere Hunde sind auf eine ausreichende Blutversorgung angewiesen.
Blut lässt sich leider immer noch nicht künstlich herstellen, kann aber innerhalb einer Spezies gespendet werden, und diese Blutspenden können nicht nur in der Humanmedizin Leben retten. Auch Hunde profitieren von Blutspenden ihrer Artgenossen, und obwohl viele Halter noch immer nicht um die Möglichkeit der Blutspende wissen, stieg die Nachfrage gerade in den letzten Jahren rasant an. Ob nach Unfällen, größeren Operationen, Vergiftungen, Immun- oder Infektionserkrankungen, Gerinnungsstörungen oder chronischen Krankheiten wie auch bei einigen Krebsarten: Viele Hunde sind auf einmalige oder eben auch regelmäßige Bluttransfusionen angewiesen, um zu überleben.
Hunde retten Hunde
Das Verfahren des Blutspendens und der späteren Transfusion unterscheidet sich kaum von dem in der Humanmedizin. Auch bei Hunden finden sich unterschiedliche Blutgruppen – Wissenschaftler sprechen von weit über zwölf verschiedenen –, wobei Hunde in der Regel auf DEA 1.1 getestet werden. Spender, die DEA 1.1 negativ sind, eignen sich am besten, da jeder andere Hund dieses Blut für die Ersttransfusion erhalten kann. Doch auch DEA 1.1 positives Blut kann verwendet werden, aber nur für positive Empfänger. Wird ein Hund erneut transfundiert, muss eine sogenannte Kreuzprobe durchgeführt werden, da nicht nur DEA 1.1 zu Unverträglichkeiten führen kann. Wie in der humanen Blutbank findet auch das Blut der Vierbeiner nicht nur als Vollblut Verwendung – aufgespalten in die Bestandteile Plasma und Erythrozytenkonzentrat kann es entsprechend gelagert werden und auf seinen Einsatz warten. Auf diese Weise können von einer Spende unter Umständen sogar zwei Patienten profitieren. Dr. Christiane Weingart, Oberärztin an der Klinik für kleine Haustiere an der Freien Universität Berlin erklärt: „Pro Jahr werden ungefähr 150 Erythrozytenkonzentrate und 200 Plasmakonserven verabreicht. Es zählt also tatsächlich jede Spende!“
Doch welche Voraussetzungen muss ein Hund eigentlich erfüllen, damit er zum Blutspender und somit zum potenziellen Lebensretter werden kann? Grundsätzlich kommt jeder Hund als Spender infrage, wobei sich bei größeren Hunden eine entsprechend größere Menge Blut abnehmen lässt (ca. 10 ml pro 1 kg Körpergewicht). Weingart ergänzt: „Die Hunde sollten mindestens ein Jahr und nicht älter als acht Jahre alt sein und ein Mindestgewicht von 20 kg auf die Waage bringen. Um das Risiko von übertragbaren Krankheiten zu minimieren, sollten die Hunde nicht im Ausland gewesen sein und immer gegen Ektoparasiten geschützt sein. Allerdings gibt es auch Erkrankungen, die wir bei unseren Blutspendern regelmäßig testen, so z. B. Infektionen mit zeckenübertragenen Erkrankungen. Auch Hunde, die selbst bereits eine Transfusion erhalten haben, kommen aufgrund einer möglichen Antikörperbildung nicht mehr als Spender infrage.“ Die Blutentnahme selbst erfolgt dabei, anders als beim Menschen, in der Regel aus der Vena jugularis, der Halsvene. Dafür wird dieser Bereich minimal geschoren und dann gründlich gesäubert und desinfiziert. Für die meisten Hunde ist das Prozedere leicht zu ertragen. Weingart: „Bei den Blutentnahmen ist der Besitzer die ganze Zeit über bei seinem Hund, wir stellen für diese Zwecke einen separaten Ruheraum abseits von anderen Tieren zur Verfügung. Im Gegenteil zu Katzen ist bei Hunden eine Sedierung nicht nötig. Wehrt sich ein Hund tatsächlich einmal gegen die Blutentnahme, kommt er als Spender nicht infrage, da wir den Tieren ja keinem unnötigen Stress aussetzen wollen.“ Die Entnahme selbst dauert ca. fünf bis zehn Minuten und schadet den Spendern nicht. Am Tag der Entnahme sollte man dem Hund mehr Ruhe als üblich gönnen und ihm keine größeren Anstrengungen abverlangen, doch der Hundeorganismus erholt sich sehr schnell wieder und gleicht den Blutverlust wieder aus. Aus diesem Grund können Hunde grundsätzlich etwa alle drei Monate spenden.
Engpass
Die benötigte Menge an Transfusionen nimmt stetig zu, wobei die Menge der Spenden leider oftmals nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken. Dabei lohnt sich das Anzapfen auch für den Spender: In den meisten Fällen gehören eine kostenlose Allgemeinuntersuchung sowie eine vollständige Blutuntersuchung inklusive Blutgruppenbestimmung und Ausschluss von Flohbefall und wichtigen Infektionskrankheiten zum Service. Auch auf das obligatorische „kleine Frühstück“ für den Spender müssen die Hunde nicht verzichten, denn ein Futtersack ist meist im Paket enthalten. Viele Institutionen bieten weitere Anreize für „Wiederholungstäter“, so bekommen regelmäßige Spender an der Klinik für kleine Haustiere der freien Universität Berlin zum Beispiel alles vergünstigt, was der Gesundheitsvorsorge dient.
Doch auch ohne diese zusätzlichen Anreize zum Blutspenden bleibt zu hoffen, dass die Zahl der Spender in den nächsten Jahren ansteigt. Schließlich könnte jeder Hund der nächste sein, dessen Leben von einer Blutspende abhängt. Wo sich auch in Ihrer Nähe der nächste Blutspendedienst für Vierbeiner findet, darüber geben nicht nur das Internet, sondern auch Tierschutzverbände sowie Tierärzte Auskunft.