Leben mit alten Hunden

Der Lebensabend, eine oft unterschätzte Zeit

Von Manuela Zaitz

Das Leben mit einem alten Hund ist anders. Anstrengend, man muss sich wieder neu anpassen, sich von alten Gewohnheiten verabschieden und neue Routinen etablieren.
Signale und Abläufe, die der Hund über Jahre beherrscht hat, sind einfach weg. Aber es ist auch schön, es entschleunigt und lenkt den Blick auf das Wesentliche, das Hier und Jetzt.

Es ist gefühlt noch gar nicht so lange her, da habe ich nicht einen Gedanken an das Älterwerden meines Hundes verschwendet. Noch als er zehn war, sprachen Menschen mich auf meinen „jungen“ Hund an und ich dachte, wir hätten noch ewig Zeit. Morris ist jetzt fünfzehn Jahre und neun Monate und der erste meiner Hunde, der ein so stolzes Alter erreicht. So schwierig das manchmal ist, es ist eine so wertvolle Erfahrung.
Es kommt mir vor wie gestern, als der rote Korsar hier einzog, voller Energie, strotzend vor Tatendrang und immer bereit, etwas mit mir zu unternehmen. Frisbeespielen, Crossdoggen, Spazieren, Stand-up-Paddeln, immer war er mit Feuereifer dabei. Heute braucht er länger zum Aufstehen, er sieht schlecht, hört kaum noch etwas und schläft nicht nur deswegen ganz tief. Seine Zunge rutscht beim Schlafen aus dem Maul und er sieht dann so niedlich aus, wie nur ein Hunde-Opi aussehen kann.
Beim Schreiben dieses Artikels ist mir klargeworden, wie eindrücklich die Veränderungen sind, wie viele Hilfsmittel wir nutzen und wie sehr sich unser Alltag verändert hat.
Ich habe Kund*innen mit ihren Seniorenhunden begleiten dürfen und dabei gelernt: Altern ist sehr individuell. Bei Morris hat es lange gedauert. Bis man die ersten Anzeichen gesehen hat, war er dreizehn. Andere Vierbeiner zeigen bereits mit acht deutliche Alterserscheidungen. So individuell wie Hundepersönlichkeiten in ihrer Jugend sind, so sind sie es auch im Älterwerden.

Konkret vorbereiten kann man sich kaum, aber es hilft, sich bewusst zu machen, dass es Bedürfnisveränderungen im Alter geben wird. Versucht diese anzunehmen und immer das Beste aus der Situation zu machen.
Bei vielen alternden Vierbeinern werden die Sinne schwächer. Sie sehen nicht mehr so gut, das Hörvermögen wird schlecht. Was meist noch sehr gut funktioniert ist die Nase. Es macht den Eindruck, als beame der Hund sich in seine Geruchswelt. Morris kann eine sehr lange Zeit an einer Stelle stehen und schnüffeln. Spricht man ihn an, hört er es nicht, und fasst man ihn an, muss man das von vorn tun, wo er zumindest noch etwas sehen kann, sonst erschrickt er. Das lässt sich bei vielen alten Hunden beobachten, sie konzentrieren sich dann auf einen Sinn und die anderen treten dadurch in den Hintergrund.

 

Hilfsmittel
Um einem Senior weiterhin möglichst viel Freiheit zu ermöglichen, kann man unterschiedliche Hilfsmittel nutzen.

 

Pfeife

Es gibt eine besonders laute Pfeife, die 122 Dezibel schafft, eine der lautesten Hundepfeifen der Welt. Es empfiehlt sich sehr, Umstehende vorzuwarnen, bevor man sie benutzt. Nach dem ersten Mal beherzten Reinblasens war es plötzlich still, und bis heute weiß ich nicht, ist wirklich die Vogelwelt um mich herum verstummt oder habe ich kurzfristig mein Hörvermögen verloren? Diese Pfeife hat der Gute noch eine ganze Weile gehört, ich habe sie jedoch nur äußerst bedacht eingesetzt. Noch heute, so zwei, zweieinhalb Jahre nach Beginn des Schlechterhörens, schwankt sein Hörvermögen total. An manchen Tagen bekommt er Klatschen und Rufen (ehrlich gesagt, Schreien und Brüllen ist die korrektere Formulierung) mit, an anderen bringt auch die Pfeife nix mehr.

Gesichert unterwegs
Im Training habe ich bereits mit einigen Hunden Vibrationshalsbänder für den Rückruf aufgebaut (reine Vibration, keine Stromhalsbänder!), aber bei meinem eigenen Hund erschien mir das nicht die geeignete Lösung. Deswegen trägt er stattdessen auf Spaziergängen fast ständig eine Schleppleine am Geschirr. Sein Sehvermögen ist ebenfalls deutlich schlechter geworden; manchmal macht er in der Ferne einen Mensch aus und zockelt los. Ich vermute, er denkt, das sei ich, und macht sich deswegen flugs auf den Weg, ohne mal nach hinten zu gucken und zu checken, ob ich nicht hinter ihm stehe. Bei diesen Aktionen wird er verdammt schnell und ich bin mehr als einmal rufend und japsend hinter ihm hergelaufen. Bekomme ich ihn dann zu fassen, wirkt er erstaunt und freut sich.
GPS-Tracker geben viel Sicherheit. Immer wieder liest man in den sozialen Medien Suchmeldungen nach alten Hunden, die irgendwie entwichen sind. Auch wenn man denkt, das könnte einem selbst nie passieren, sicher sein kann man sich nicht. Wir nutzen unseren Tracker bereits seit zwei Jahren, die Anschaffungskosten und die jährliche Gebühr sind für mich ein guter Preis für mehr Gelassenheit. Zusätzlich misst der Tracker die Aktivitäts- und Ruhezeiten und lässt mich anschauen, wo wir überall unterwegs waren – ein toller Mehrwert.

Foto: Manuela Zaitz

 

Hundebuggy
Planen wir längere Spaziergänge, nehmen wir das Morri-Mobil mit, einen Fahrradanhänger, den man zum „Buggy“ umrüsten kann. Wenn euer Senior gern dabei sein will, aber keine langen Strecken mehr schafft, dann ist das eine sehr gute und simple Lösung. Überlegt vor der Anschaffung, in welchem Gelände ihr euren Buggy nutzen möchtet, und wählt dann nach euren Anforderungen ein Modell aus. Unser Hundewagen hat keine Federung, lediglich eine weiche Matratze. „Offroad“ fahren ist damit allerdings nicht drin. Je größer und je besser gefedert eurer Mobil ist, umso teurer wird es. Es lohnt sich sehr, Kleinanzeigen zu durchforsten; viele Menschen legen sich einen Fahrradanhänger zu, nutzen ihn nicht und verkaufen ihn später wieder. So kommt ihr eventuell günstig an ein gutes Modell und könnt es gegebenenfalls auch wieder weiterverkaufen.
Wie bei allen Dingen ist es auch hier wichtig, den Hund vorsichtig an das Gefährt zu gewöhnen; er soll sich darin wohl und sicher fühlen.

Rampe
Treppensteigen können viele alte Hunde nicht mehr gut. Besonders das Hinunterlaufen ist problematisch für sie. Es lohnt sich, noch junge und mobile Hunde an das Rampelaufen zu gewöhnen. Ich habe eine Rampe für die fünf Stufen vom Garten ins Haus gebaut, als der alte Herr noch ziemlich fit war. Gedacht war sie für den frisch eingezogenen Welpen, jedoch war klar, die Rampe bleibt dauerhaft. In einem Mehrparteienhaus ist das eventuell keine Möglichkeit, es gibt aber gepolsterte Unterbauchgeschirre, mit denen man alte und kranke Hunde beim Laufen unterstützen kann.
Nach einem Sturz von der Rampe, den ich nicht verhindern konnte, nutze ich nun mit meinen Hunden einen der anderen Eingänge des Hauses. Dabei zeigt sich, wie schwierig es für Morre ist, sich neue Dinge einzuprägen. Obwohl wir den neuen Eingang täglich mehrfach nutzen, steht er stets an der alten Tür und möchte dort hinausgelassen werden. Es ist, als würde er immer wieder vergessen, dass wir nun woanders das Haus verlassen.

Veränderungen im Alter

Hunde-Omis und -Opis tun sich häufig sehr schwer damit, neue Dinge zu lernen. Selbst wenn man besonders kleine Trainingsschritte macht, einen extralauten Clicker oder einen Sichtmarker nutzt, schaffen sie es oft nicht mehr, neue Zusammenhänge zu behalten.
Das ist schmerzhaft anzusehen; gerade den eigenen Hund ratlos zu erleben, tut weh.
Wenn euer Vierbeiner immer Spaß am Training hatte, dann wiederholt nun Dinge, die er bereits kann und die ihm Freude machen. So viele Hundesenioren haben nach wie vor großen Spaß, mitzumischen und für Tricks belohnt zu werden.
Passt das Intelligenzspielzeug und die Schnüffelkisten an, sodass sie erfolgreich sein können. Die Freude der Hunde mitzuerleben, ist großartig. Alte Hunde lieben Beschäftigung, insbesondere wenn sie ihr Leben lang aktiv waren. Sie dann einfach so in den Ruhestand zu schicken, halte ich für unfair.
Wenn euch urplötzlich die Erkenntnis trifft, dass unser bester Freund ein alter Hund wird, ist das hart. Ich hatte das mehrfach erlebt, in kleinen Dosen, aber stetig, und jedes einzelne Mal war schlimm. Auf meinen Hund zu schauen und festzustellen: Jetzt wird er alt und unsere Zeit zusammen ist nur noch begrenzt, schnürt mir an manchen Tagen die Kehle zu. Ich weiß nicht, wie es euch damit geht, ich muss mich tatsächlich daran hindern, zu sehr drüber nachzudenken. Also erinnere ich mich freundlich an das Hier und Jetzt, dass der alte Kerl dasteht und gern kuscheln mag und dass er sich schließlich auch nicht die Petersilie von Zukunftsängsten verhageln lässt.
Altwerden ist nix für Feiglinge, aber zusammen geht es besser als allein.

(…)

Dies ist nur eine kurze Leseprobe – den vollständigen Artikel könnt ihr in der SPF Sonderausgabe Hundesenioren lesen, bestellbar im Cadmos-Shop.

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