Konzeptlernen bei Hunden

„Mazzel – BLAU, RUND, HEB AUF!“

+++LESEPROBE aus der SPF 33+++

Von Kathrin Heimsath

Als vor gut 18 Jahren Border Collie Rico bei einer „Wetten, dass..?“-Sendung die Zuschauer damit beeindruckte, dass er 77 Spielobjekte anhand ihrer Namen zuordnen konnte, war aus wissenschaftlicher Sicht noch nicht viel über diesen Bereich der hündischen Fähigkeiten bekannt. Anschließende Untersuchungen zeigten, dass Rico und andere Hunde auch anhand von dem sogenannten „Fast Mapping“ („Schnelles Zuordnen“) lernen können – eine Methode, die über ein Ausschlussverfahren arbeitet und die bis zu dem Zeitpunkt nur bei Menschen nachgewiesen worden war.

Mittlerweile gibt es erfreulicherweise immer mehr Untersuchungen über die kognitiven Fähigkeiten unserer Hunde. So weiß man zum Beispiel inzwischen, dass Hunde Fotos an einem Computerbildschirm erkennen und Kategorien zuordnen können (F. Range, 2007). Ebenso weiß man, dass Hunde beobachten und über echte Imitation neue Verhalten lernen können (C. Fugazza, 2013).

Es ist deutlich, dass auch Hunde Konzepte nutzen und man ihnen diese gezielt vermitteln kann. „Was bringt mir das?“, mag da der eine oder andere Hundehalter fragen. Und was die sogenannte Grunderziehung angeht, mag er damit vielleicht auch recht haben. Aber eben doch nur vielleicht. Ein genauerer Blick darauf, was Konzepte sind, hilft dabei, ihre Bedeutung zu verstehen:

 

Konzepte – was sich dahinter verbirgt

Konzepte sind eine aus der (1) Wahrnehmung (2) abstrahierte (3) Vorstellung (lt. Duden). Zunächst spielen also die Sinnesreize des Hundes eine Rolle. Aus der Menge der wahrgenommenen Reize, die jeder für sich etwas Besonderes darstellen, muss der Hund das ihnen gemeinsame Allgemeine entnehmen. Diese Abstraktion wird dann als innere Repräsentation im Gedächtnis abgespeichert.

Das klingt umständlich, ist aber für die Effizienz im Lebensalltag ungemein wichtig, denn solche Konzepte dienen der Organisation von Erfahrungen, sodass vorhandenes Wissen auf neue Situationen angewendet werden kann. Ein Beispiel: Bei Seminaren präsentiere ich oft eine Folie mit einer blauen Raute und frage die Teilnehmer, was sie sehen. Die Vorschläge „ein Glas“ oder „eine Vase“ fallen ebenso wie „ein blaues Viereck“. Die Betrachter haben in ihrem Leben schon viele unterschiedliche Gläser gesehen. Sie können ein ähnliches Objekt sehen und ihr Wissen darauf anwenden: „Auch das ist ein Glas.“ Sie sind daher in der Lage, in unsere Teeküche zu gehen und sich ein Glas zu trinken zu nehmen, obwohl sie unsere Gläser noch nie zuvor gesehen haben. Die Verallgemeinerung für „ein Glas“ geht so weit, dass sie eine blaue Raute damit in Verbindung bringen.

Das Gehirn bildet Konzepte und fasst dabei nicht nur verschiedene Objekte, sondern auch Ereignisse oder Erfahrungen zu Kategorien zusammen. Auch das Hundegehirn bildet solche Kategorien, ob der Mensch es nun trainiert oder nicht. Denn es handelt sich dabei um einen natürlichen Lernprozess.

Wer seinen Hund nun weiter ausbilden möchte, kann das Wissen um Konzepte gewinnbringend im Training einsetzen. Darüber hinaus ist das Konzeptlernen eine tolle Möglichkeit, Hunde zu beschäftigen und dabei hautnah zu erleben, wie der eigene Hund Dinge wahrnimmt und einordnet.

Man unterscheidet drei Konzeptformen:

Perzeptuelle Konzepte

Von diesen spricht man, wenn verschiedene, aber ähnliche Reize wahrgenommen werden und aus diesen Kategorien gebildet werden. Hierfür müssen also Unterschiede und Gemeinsamkeiten wahrgenommen werden und anschließend eine Generalisierung erfolgen. Typische Beispiele für perzeptuelle Konzepte sind Farben (z. B. „Blau“) und Formen (z. B. „rund“).

Assoziative Konzepte

Bei assoziativen Konzepten werden Symbole, Schrift oder Worte bestimmten Reizen oder Reizgruppen zugeordnet. So kann der Hund z. B. lernen, dass alle kugelförmigen Dinge „BALL“ oder alle Katzen der Nachbarschaft, unabhängig von ihrem Erscheinungsbild, „KATZE“ heißen. Eine solche Zuordnung kann aber auch zu einem nonverbalen Symbol erfolgen.

Ein weiteres Beispiel für ein assoziatives Konzept ist das Imitationssignal beim Do-as-I-do-Training, bei dem der Hund lernt, das Verhalten des Menschen auf Signal hin zu imitieren.

Relative Konzepte

Bei relativen Konzepten geht es um Verhältnisse. So werden z. B. das Gleiche oder Ungleiche nach einem Muster zugeordnet. Typische Beispiele sind „größer/kleiner“, „neu“ und Match-to-Sample-Aufgaben wie „Zeige mir das Gleiche“ bzw. Non-Match-to-Sample-Aufgaben wie „Zeige mir das, was anders ist“. Gern wird dies auf einer Arbeitsfläche mit Objekten gemacht oder im Bereich der Nasenarbeit.

Mit diesem Konzepttyp haben sich bereits eine Reihe von Hundehaltern beschäftigt, ohne sich dessen eventuell bewusst gewesen zu sein. Denn beim Mantrailing, der Spurensuche oder auch der Geruchsunterscheidung arbeitet der Hund nach diesem Prinzip – es wird ihm eine Probe gezeigt und er soll „das Gleiche“ finden bzw. anzeigen.

 

Ein paar Gedanken vor dem Training

Immer dann, wenn man bei der Arbeit mit Hunden auf eine gute Sinneswahrnehmung angewiesen ist, sollte man sich kurz die Unterschiede zwischen Mensch und Hund vor Augen führen.

Riechen

Der Hund verfügt über ein 15-mal größeres Riechfeld als der Mensch. Er nimmt so viel mehr und feinere Geruchsnuancen wahr, dass die Kontrolle von Geruchsprobe und Muster bei deren Einsatz ein wichtiger Faktor für den Trainingserfolg darstellt. Gleichzeitig sind Gerüche flüchtig und unterliegen Umweltfaktoren, die es ebenfalls zu berücksichtigen gibt.

Sehen

Soll der Hund dagegen Objekte anhand ihres äußeren Erscheinungsbildes unterscheiden, muss man daran denken, dass Hunde zwar licht- und bewegungsempfindlicher sehen, dafür aber unschärfer und mit einer geringeren Auflösung als Menschen. Aufgrund der geringeren Zahl an Zapfen nehmen sie Farben vermutlich blasser wahr. Zudem besitzen Hunde nur zwei Rezeptoren für Farberkennung, sodass sie sowohl grüne als auch rote Objekte gelblich wahrnehmen.

Für Konzeptlernen gut geeignete Farben sind daher Blau, Gelb, Schwarz und Weiß – am besten in einer guten Farbsättigung.

Weitere Sinneswahrnehmungen

Beim Konzeptlernen können auch Sinne wie Hören oder Fühlen zum Einsatz kommen. Bei der Präsentation von Geräuschen ist ähnlich wie bei Gerüchen die Art der Präsentation bzw. ihre Kontrolle vorab zu überlegen. Eine Möglichkeit zum Arbeiten mit Tönen wäre z. B. ein relatives Konzept mit „Hoher Ton – tiefer Ton“. Beim Arbeiten mit dem Tastsinn ist es wichtig, dass sich das Anzeigeverhalten eindeutig vom Testverhalten unterscheidet. Ein mögliches Konzept wäre z. B. „weich“. Für Hören wie auch Fühlen ist eine Präsentation der zu unterscheidenden Proben im Line-up denkbar.

Verarbeitung & Gedächtnis

Ein sogenanntes Line-up bedeutet, dass die zu unterscheidenden Proben so in einer Reihe(nfolge) präsentiert werden, dass der Hund sie einzeln wahrnehmen und dann entscheiden kann, welche die richtige ist. Das gezeigte Muster wird dabei vorübergehend im Arbeitsgedächtnis gespeichert. Auch die anderen wahrgenommenen Sinnesreize (Proben) gelangen in das Arbeitsgedächtnis des Gehirns, in dem diese zusammen mit bereits gemachten Erfahrungen verarbeitet werden.

Das Arbeitsgedächtnis ist extrem stör- und stressanfällig. Aus diesem Grund sollten beim Konzeptlernen unnötige Ablenkungen und Stressoren möglichst ausgeschlossen werden. Zu Stressoren zählt zum Beispiel auch Frust, der bei zu schwierigen bzw. großschrittigen Aufgabenstellungen entsteht. Frust kann aber auch durch Wartezeiten entstehen. Die Wahl der Aufgabe und ihr Aufbau sollten also vorher durchdacht werden.

 

Wahl und Planung einer Konzeptaufgabe

An- und Abwesenheit von Proben

Beim Menschen geht man davon aus, dass das Arbeitsgedächtnis auf sieben Informationseinheiten begrenzt ist. Bei Hunden konnte festgestellt werden, dass die Performance beim Arbeiten mit einem Line-up von mehr als vier Gerüchen deutlich sinkt. Während bei einer Reihe von drei Gerüchen die Hunde zu 90 % richtiges Anzeigeverhalten zeigten, lag ihre Leistung bei vier Geruchsproben schon nur noch bei 75–80 %. Bei fünf Geruchsproben und mehr lag die Trefferquote bei unter 60 %. Vermutlich ist hier das Erinnerungsvermögen an die ursprüngliche Probe der limitierende Faktor.
Wenn möglich, macht es also Sinn, das Arbeitsgedächtnis durch eine permanente Präsenz der Probe zu entlasten. Das ist insbesondere beim Arbeiten mit Objekten leicht zu bewerkstelligen.

Match-to-Sample-Aufgaben mit Objekten sind aus diesem Grund gut für den Einstieg in das Konzeptlernen geeignet. Wer bislang noch nicht mit Gerüchen gearbeitet hat, entlastet sich beim Einstieg in das Konzeptlernen zudem selbst, wenn er mit Objekten arbeitet, da sie leichter zu kontrollieren sind als Gerüche.

Mit oder ohne Startposition?

Wie bereits erwähnt, können Wartezeiten beim Hund jedoch Frust auslösen. Bei den meisten Match-to-Sample-Aufgaben ist es notwendig, dass der Hund in einer Startposition wartet und vor dem Unterscheiden eine Probe wahrnimmt. Zwar verschafft eine Startposition dem Menschen Zeit, die zu präsentierenden Muster zu arrangieren, sie kostet den Hund aber Impulskontrolle und verlangsamt den Ablauf. Für impulsive Hunde mit einer geringen Frusttoleranz ist daher eine Aufgabe, bei der auf eine Startposition verzichtet werden kann, anfangs oft die bessere Wahl.

Bei Konzepten wie „Farbe“ oder „Größe“ lässt sich dies einfach bewerkstelligen. Die Position und Ausrichtung des Hundes lässt sich dabei durch die Gabe der Belohnung steuern. Wer unter Zeitnot gerät oder Probleme beim Arrangieren der Objekte hat, kann auch mit einer Belohnungsstation arbeiten, um sich Zeit zu verschaffen. Ein ferngesteuerter Futterautomat oder eine Box, in die das Futter geworfen wird, sind dafür gut geeignet.

Anzeigeverhalten

Je nachdem, wie die Sichtreize, Gerüche, Klänge usw. präsentiert werden, hat der Hund die Möglichkeit, seine Wahl auf unterschiedliche Weisen anzuzeigen. Er kann Objekte mit den Pfoten oder der Nase berühren, etwas in den Fang nehmen, sich vor etwas hinlegen oder hinsetzen, drum herumlaufen, einen Gegenstand davor- oder hineinlegen usw. Wichtig sind dabei vor allem:

  • Das Anzeigeverhalten sollte eindeutig
    Das bloße Anschauen von Gegenständen kann leicht durch den Menschen fehlerhaft gedeutet und nicht korrekte Zuordnungen dadurch versehentlich verstärkt werden. Auch Anzeigeverhalten, die nur sehr kurz gezeigt werden, sind in dieser Hinsicht problematisch.
  • Das Anzeigeverhalten sollte dem Hund leichtfallen.
    Nicht jedes Verhalten wird an jedem Material gleich gern gezeigt. Das Anzeigeverhalten sollte an jedem präsentierten Element gleich gern gezeigt werden, damit eventuelles Meideverhalten nicht das Ergebnis verfälscht. Komplizierte oder ungern gezeigte Verhalten sind eine potenzielle Fehlerquelle und erschweren das Erlernen von einem Konzept.
  • Das Anzeigeverhalten sollte möglichst wenig Variabilität
    Die Bewertung eines Anzeigeverhaltens muss schnell erfolgen können, damit der Mensch dem Hund ein möglichst zeitpunktgenaues Feedback geben kann. Variiert das Verhalten, ist ein zuverlässiges Verstärken sehr schwierig. Wird als Anzeigeverhalten beispielsweise „Anstupsen“ gewählt und berührt der Hund mal das Objekt, verharrt aber auch mal nur mit der Nase davor oder nimmt es plötzlich ins Maul, so ist ein gutes Training nicht möglich.

 

Beispiel: Trainieren einer Match-to-Sample-Aufgabe

Zur Veranschaulichung möchte ich den Aufbau einer Match-to-Sample-Aufgabe „Zeig mir das GLEICHE“ beschreiben. Einige der beschriebenen Elemente können bei anderen Konzepten weggelassen werden. Man benötigt hierzu zu Beginn die folgenden Utensilien:

  • „Attraktive Objekte“ (Oa):
    3 x 2 identische Objekte, die sich gut voneinander unterscheiden lassen.
    Sie werden attraktiv genannt, weil sie im Lauf des Trainings eine Verstärkung erfahren.
  • „Unattraktive Objekte“ (Ou):
    3 weitere Objekte, die den Objektpaaren nicht allzu sehr ähneln.
    Sie werden unattraktiv genannt, weil sie im Lauf des Trainings keine Verstärkung erfahren.
  • Präsentationsfläche:
    Hierfür hat sich, je nach Größe des Hundes, eine Fußbank oder Ähnliches bewährt. Der Hund sollte die Objekte von der Startposition aus gut wahrnehmen und sie beim Herantreten gut erreichen können. Praktisch ist es, wenn man eine Box mit allen Objekten unter oder hinter der Präsentationsfläche positionieren kann, sodass man alle Objekte gut erreichen kann.
  • Startposition:
    Um es dem Hund zu erleichtern, immer von derselben Position aus zu starten, kann man diese durch eine Decke oder ein Bodentarget markieren.

Bevor es losgeht, sollte der Hund die Arbeitsfläche erkunden dürfen, sodass keine unnötigen Ablenkungen den späteren Ablauf stören. Am besten hat man die Präsentationsfläche und die Markierung für die Startposition bereits eingerichtet. Der Abstand zwischen Präsentationsfläche und Startposition sollte so gewählt werden, dass der Hund durch das Absetzen der Objekte nicht zu leicht zum Aufstehen verführt wird. Er sollte aber so nah sein, dass er die Objekte gut wahrnehmen kann und man ihn durch gezieltes Werfen auf der Startposition belohnen kann. (…)

SitzPlatzFuss 33_COVER_96dpi © CADMOS.de+++ACHTUNG: Dies ist eine Leseprobe, den vollständigen Artikel finden Sie in der SPF 33 +++

Versandkostenfrei bestellbar im Cadmos-Shop.

 

Teile diesen Beitrag