Hundeschule – Schule fürs Leben oder Stressveranstaltung?!

+++ LESEPROBE aus der SPF 45 +++

Von Kirsten Berger

Für viele Hundehalter:innen ist der Besuch einer Hundeschule selbstverständlich. Schließlich soll das neue Familienmitglied optimal ausgebildet werden, damit es sich sowohl in die Familie als auch in die Gesellschaft problemlos einfügt und im Alltag zurechtkommt. Allerdings ist Hundeschule nicht gleich Hundeschule. Daran hat auch die seit 2014 geltende Erlaubnispflicht gemäß dem Tierschutzgesetz für gewerbliche Hundeschulen nicht sehr viel geändert. Daher kann es durchaus passieren, dass der Besuch einer Hundeschule genau die Probleme und den Stress verursacht, denen eigentlich vorgebeugt werden soll …

Stress – was ist das eigentlich?!

Unter Stress versteht man eine physische und psychische Reaktion, die es einem Lebewesen ermöglicht, sich an seine Umwelt anzupassen. Und tatsächlich entsteht Stress, wenn wir uns – egal ob Hund oder Mensch – aus unserer Komfortzone herausbewegen oder herausbewegen müssen. Darunter fallen auch das Erlernen neuer Verhaltensweisen und das Kennenlernen neuer Situationen. Zum Lernen gehört Stress also dazu und er ist letztendlich in gewisser Weise notwendig – wie so oft im Leben ist allerdings auch hier das Maß entscheidend.

Es lässt sich nicht pauschal sagen, was oder welche konkreten Situationen Stress beim einzelnen Hund auslösen. Denn ob und wie ein Individuum Stress empfindet, hängt, neben seiner Persönlichkeit, immer von seiner Bewertung der aktuellen Situation und von seinen vorherigen Lernerfahrungen ab. Stressauslöser können daher je nach Hund sehr unterschiedlich ausfallen. Dem einen können große Menschenmengen nichts anhaben – den anderen überfordern diese total. Der eine fällt schon auf etwas körperlichen Druck in sich zusammen – der andere lässt sich davon kaum beeindrucken. Stressoren können sowohl physischer als auch psychischer Natur sein und/oder durch die Umwelt beziehungsweise soziale Beziehungen beeinflusst werden.

Physiologische Stressoren:

Hunger, Durst, Krankheit, Schmerzen, Kälte/Hitze, Lärm, Schlafmangel, zu viel/zu wenig/falsche Bewegung …

Psychologische Stressoren:

Erwartungsunsicherheit, nicht erfüllte Grundbedürfnisse, erlernte Hilflosigkeit, Angst, Gewalt/Zwang in der Ausbildung und/oder im Umgang, Entzug von Sozialkontakt …

Umwelt/Soziale Stressoren:

Veränderungen der Umwelt, mangelnde oder schlecht verlaufende Sozialkontakte zu Menschen/Hunden, mangelnde Gewöhnung, schlechte Sozialisierung, Strafen …

Hundeschulen, in denen mit Wasserflaschen, Wurfketten, Leinenrucken, Kneifen, Schubsereien oder anderen sogenannten „Korrekturen“ und unangenehmen Hilfsmitteln trainiert wird, schließen sich daher durch die Anwendung dieser unnötigen zusätzlichen Stressoren schon selbst aus dem Kreis einer guten Wahl aus.

 

Wie erkenne ich Stress?

Die erste große Frage lautet, woran man überhaupt erkennt, ob ein Hund Stress hat. Dies ist tatsächlich nicht immer einfach einzuschätzen. Zudem ist das, was wir an der Körpersprache des Hundes wahrnehmen und sehen können, nur die Spitze des Eisbergs. Bevor sich Stress im Ausdrucksverhalten äußert, ist im Inneren des Hundes, nämlich im Körper und im Gehirn, bereits eine Menge passiert.

Akute klassische Symptome – und auch diese sind von Hund zu Hund verschieden – sind beispielsweise: Hecheln, allgemeine Unruhe, erhöhte (oder geminderte …) Bewegungsaktivität, Schuppenbildung der Haut, Verweigerung von Futter, ruckartige Bewegungen, Winseln/Bellen u. v. m. Hinzu kommen eine stressbedingt deutlich erschwerte Ansprechbarkeit und Konzentrationsfähigkeit des Hundes.

Ein ebenfalls nicht immer leicht einzuordnendes äußeres Anzeichen ist das „Stressgesicht“. Der Hund hechelt stark – obwohl es vielleicht gar nicht warm ist – und speichelt. Dabei ist dieser Speichel zäh und hat nichts mit dem Speichelfluss in Erwartung von Futter zu tun. Der Unterschied zum durch Wärme verursachten Hecheln liegt in lang gezogenen, spitzen Maulspalten mit abschließenden Muskelwülsten und schlitzförmigen Augen.

Für uns sind Stressanzeichen von hibbeligen, extrovertierten Hundetypen nicht zu übersehen. Bellen, Anspringen oder In-die-Leine-Beißen fordern uns stark, schränken uns ein und können kaum übergangen oder gar ignoriert werden. Diese Hunde mögen oft auf uns wirken, als wären sie einfach nur „frech“. In Wahrheit sind sie gestresst und überfordert mit der Situation. Die eher stillen, introvertierten Typen dagegen ziehen sich in sich zurück, frieren ein und zeigen wenig Aktionen, die uns negativ berühren. Damit wird allerdings verkannt, dass auch sie massiven Stress haben. Erscheinen sie doch durch dieses stark gehemmte und eingeschränkte Verhalten „sooo brav“ und lassen vermeintlich alles mit sich machen.

 

Kann ich Stressresistenz aufbauen?

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