Wie die Hundewelt Corona ein Schnippchen schlägt!

Von Thomas Schwank +++ LESEPROBE aus der SPF 42 +++

Kein Zweifel, dass 2020 als das Corona-Jahr in die Geschichte eingehen wird. Die Pandemie hat die Welt fest im Griff, bisher verzeichnen wir weltweit über eine Million Tote und die Wirtschaft kämpft mit den Folgen. Das Virus bestimmt unser aller Leben mit bis vor einem Jahr unvorstellbaren Hygieneregeln und Einschnitten in unser soziales Miteinander.

Auch die Hundewelt leidet unter dem Virus. Ausstellungen werden größtenteils abgesagt und die seriöse Hundezucht befindet sich mitten in einem großen Dilemma: Weltweit stellen sich Züchter*innen die Frage, ob sie pausieren oder weiterzüchten sollen.

Zu Anfang der Pandemie waren viele Institutionen und Verbände der Meinung, dass die Zucht für eine Weile ausgesetzt werden sollte. So argumentierte der Deutsche Tierschutzbund Anfang April 2020 mit den möglichen krankheitsbedingten Ausfällen von Tierärzt*innen. Dadurch könnten in den Praxen eventuell nur noch Notfälle behandelt werden. Somit hätten sie keine zeitlichen Kapazitäten für die Wurf-Endabnahme und die Behandlung von Welpen und Muttertieren. So nachvollziehbar und richtig diese Argumentation erscheint, wurde dabei eines nicht berücksichtigt: Das Virus ist nicht nur kurz zu Besuch. Wir alle müssen auf nicht absehbare Zeit damit leben, auch die Hundezucht.

Viele Züchter*innen verzichteten im letzten Jahr auf eigene Welpen, ihnen war die Situation viel zu unsicher. Ein Teil der Züchter*innen ist aber auch trotz Corona dem Hobby mit großer Leidenschaft und Engagement nachgegangen. Dabei gab es massive Einschränkungen, nicht nur im Vereinsgeschehen, bei Wurfabnahmen etc., sondern auch in der Zucht selbst. Viele Züchter*innen suchen sich die passenden Deckrüden für ihre Hündinnen unabhängig von Ländergrenzen und Anzahl der Kilometer. Aufgrund der Einschränkungen der Reisefreiheit bzw. der Grenzschließungen konnten viele ihre ursprünglichen Zuchtpläne nicht verwirklichen und haben andere Verpaarungen auf den Weg gebracht.

Andere Züchter*innen und Hundeleute ließen sich nicht von den Reiseeinschränkungen und Grenzschließungen abhalten. Sie setzen nach wie vor alles daran, ihre internationalen Beziehungen auch weiter zu pflegen, und importierten lang ersehnte Welpen oder brachten Hunde sicher zu ihren neuen Besitzern im Ausland, wo sie voller Freude empfangen wurden. Dabei haben sie zum Teil abenteuerliche Geschichten erlebt. Hier sind einige Mut machende Berichte, die Menschen und Hunde glücklich gemacht haben.

 

Ein Treffen auf der Grenze

Dass in Corona-Zeiten besondere Bedingungen herrschen, erlebte die Berliner Norfolk-Terrier-Züchterin Claudia Britze. Lange vor Ausbruch der Pandemie hatte sie Besuch aus der Schweiz von zwei Welpeninteressenten, die gemeinsam die Reise nach Berlin angetreten hatten. Bei ihnen stimmte alles, so Britze, darum versprach sie ihnen, wenn bei ihrem nächsten Wurf passende Welpen dabei wären, würden sie jeder einen bekommen. Ende März, die erste Corona-Welle steuerte gerade auf den Höhepunkt zu, fiel im Zwinger Britzes Best der Wurf; es waren bezaubernde Welpen und Claudia Britze sprach den Schweizern zwei Hunde zu. In die Schweiz dürfen Welpen mit einer Sondergenehmigung bereits mit acht Wochen eingeführt werden. Sie benötigen dafür ein tierärztliches Attest, das nachweist, dass die Hunde keinen Kontakt zu Wildtieren hatten. Somit konnte die Reise in ihr neues Zuhause für die Welpen Ende Mai stattfinden, dachte Britze. Doch dann zeichnete sich ab, dass die künftigen Welpenbesitzer*innen aufgrund der Corona-Maßnahmen die Hunde nicht selbst abholen konnten. Nach eingehender Recherche versuchte Claudia Britze, die Welpen mit einem professionellen, vertrauenswürdigen Kurier zu schicken. Leider sagte der drei Tage vor dem vereinbarten Termin überraschend ab. Hilfe fand Claudia Britze in einer Facebook-Gruppe. Ein Mitglied schrieb sie an, dass man die Welpen persönlich an der Grenze zur Schweiz direkt übergeben dürfe. Daraufhin beschloss der Familienrat, dass Tochter Laura die beiden Welpen bis zur Grenze fahren würde. Dort gab es dann tatsächlich ein „konspiratives Treffen“ direkt auf der Ländergrenze. Die deutschen Beamten ließen sie mit den Welpen passieren. Dann kamen die Schweizer Grenzbeamten. Mit Sicherheitsabstand wurden alle Papiere kontrolliert, anschließend durften die neuen Besitzer der Welpen auch für zehn Minuten ins „Niemandsland“ kommen und ihre kleinen Lieblinge in Empfang nehmen. Der Sicherheitsabstand zwischen den Personen musste die ganze Zeit gewahrt bleiben. Anschließend ging jeder mit einem unvergesslichen Erlebnis in sein Land zurück.

 

Info

Seit Ende 2014 müssen mit nur wenigen Ausnahmen alle Welpen beim Im- und Export nach bzw. von Deutschland eine wirksame Tollwutschutzimpfung vorweisen, die haben sie frühestens mit 15 Wochen. Die Auflage wurde geschaffen, um kriminellen internationalen Hundehandel mit viel zu jungen Tieren zu verhindern. Das bedeutet aber auch für die seriöse Hundezucht, dass die Welpen sechs bis sieben Wochen länger bei ihrer Züchter*in verbleiben müssen als ihre Wurfgeschwister, die innerhalb des Landes bereits ab acht Wochen vergeben werden. In der Zeit zwischen der neunten und 15. Woche durchleben Welpen eine extrem wichtige Entwicklungsphase. Idealerweise verbringen sie sie bereits in ihrer neuen Familie, um sich perfekt an das Leben anzupassen, das sie erwartet. Sowohl die Züchter*innen, die den Welpen in dieser Zeit noch behalten (müssen), als auch die künftigen Besitzer*innen, die ihn noch nicht abholen dürfen, wünschen sich das – zum Besten für die Welpen – verständlicherweise anders. Mit fälschungssicheren Papieren und Mikrochips wäre es sicherlich möglich, einerseits kriminellen Hundehandel zu unterbinden und andererseits ehrliche, um das Wohl der Hunde bemühte Menschen nicht an grenzüberschreitenden Reisen zu hindern.

 

Eine Mopsdame ohne Flugzeug

Eine abenteuerliche Odyssee hat die Mopszüchterin Susanne Becker im letzten Sommer hinter sich gebracht, bzw. eine Hündin, die sie in Russland gekauft hatte. Becker ist sehr engagiert, in ihrem Zwinger Rosepugs gesunde, gut atmende Möpse zu züchten. Wenn sie Hunde für ihre Zucht sucht, bemüht sie sich lieber um Junghunde als um Welpen. Denn dann ist für sie schon eher ersichtlich, ob der Hund überhaupt für die Zucht geeignet ist. Im letzten Juni fand sie bei einer russischen Züchterin eine Hündin, die ihr sehr gut gefiel. Die Gesundheitstests der Eltern waren in Ordnung, die Kleine war sportlich, und besonders wichtig war für Becker: Sie hatte keine Atemgeräusche. Darum wollte sie den jungen Mops gern in ihr Rudel holen.

Die Züchterin der jungen Hündin lebt im Süden Russlands, nah an der Grenze zu Kasachstan. Wegen der großen Entfernung zu Rheinland-Pfalz sollte der Transport per Flugzeug stattfinden. Die wichtigste Informationsquelle, ob die Reise stattfinden konnte, wurde für Susanne Becker die Website des Auswärtigen Amtes mit den neuesten Informationen über Reiseeinschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie. Dann stellte sich heraus, dass am 4. Juli ein letzter Cargoflug gehen sollte. Doch in dem Flugzeug bekamen sie keinen Platz und die fieberhafte Suche nach einem neuen Transport begann. Schließlich fand Susanne Becker heraus, dass am 15. Juli noch einmal reguläre Passagierflüge abgefertigt werden sollten. Sie begann, sich einen sogenannten Carrier zu suchen, das sind Menschen, die Hunde sicher und umsorgt von einem Ort zum anderen bringen. Über eine entsprechende Facebook-Gruppe fand Becker eine junge Frau aus Russland, die sich bereit erklärte, die kleine Mopshündin nach Frankfurt zu bringen. Aber sie bekamen keine Tickets für die Flüge. Sofort suchten sie unter Zeitdruck weitere Möglichkeiten. Erschwerend kam hinzu, dass angekündigt worden war, es würden ab dem 4. August keine Flüge mehr nach Frankfurt gehen. Susanne Becker suchte breiter, checkte Flüge von Moskau nach Luxemburg, Frankreich und in die Niederlande, alle für sie halbwegs gut zu erreichende Flughäfen. Aber Anfang August war klar, dass es per Flug nicht funktionieren würde.

Dann entschlossen sich die Züchterin und Susanne Becker, den Transport doch mit dem Auto vorzunehmen. Die Züchterin beauftragte einen Kurier, mit dem sie bisher gute Erfahrungen auf kürzeren Strecken gesammelt hatte.

Der Kurier startete am 12. August nach Moskau. Die Kommunikation sollte über WhatsApp oder Messenger laufen; das funktionierte erst einmal auch alles gut. Doch aus Moskau hörte Becker dann drei Tage gar nichts. Die Kommunikation über das Smartphone funktionierte nicht und sie machte sich große Sorgen. Am 15. August meldete sich endlich der Kurier, der Hündin gehe es gut, aber er sei leider immer noch in Moskau, da sie fünf Hunde fahren würden und nicht alle rechtzeitig in Moskau angekommen sind. Doch dann ging es endlich los. Wieder hörte Becker drei Tage nichts. Am 18. August kam endlich die gute Nachricht, dass sie in Weißrussland seien. Sie bekam Fotos von den Hunden, wie sie auf Rastplätzen miteinander spielten; es ging ihnen allen gut.

Am nächsten Tag bekam sie eine Nachricht aus Polen, dass sie am nächsten Tag in Frankfurt sein werden und sogar den Hund bis zu Becker nach Hause bringen werden. Endlich war es dann so weit: Am 20. August fuhr vormittags ein weißer Transporter mit russischem Kennzeichen vor. Vier sehr nette junge Leute, unter ihnen auch eine Frau, brachten die kleine Mopshündin wohlbehalten zu Susanne Becker. Die Kuriere waren Anfang 20, sie hatten diese aufreibenden Fahrten als Einnahmequelle für sich entdeckt. Besonders wichtig sei, so Beckers Resümee, vertrauensvolle und seriöse Kuriere zu finden, die auch wirklich die Verantwortung für die Hunde übernehmen. Es gäbe nämlich auch Glücksritter, die solche Aufträge übernehmen. Wenn sie dann an einer Grenze hängen bleiben, weil zum Beispiel Papiere fehlen oder nicht anerkannt werden, hauen sie einfach ab und überlassen die Hunde ihrem Schicksal.

Info

Hunde aus sogenannten nicht gelisteten Drittländern dürfen frühestens im Alter von sieben Monaten eingeführt werden. Das ergibt sich aus den Tollwut-Auflagen. Welpen dürfen ab zwölf Wochen gegen Tollwut geimpft werden. Mindestens 30 Tage nach der Tollwutimpfung muss eine Blutuntersuchung zur Bestimmung des Tollwut-Antikörpertiters durchgeführt werden. Diese Blutuntersuchung mit einem Testergebnis von mindestens 0,5 IU/ml muss drei Monate vor der Einreise durchgeführt werden. Diese Auflage gilt zum Beispiel für Serbien, Ägypten, der Türkei oder für die Ukraine.

 

 

Langes Warten auf das neue Familienmitglied

Der Berliner Frank Jakob (Namen geändert) züchtet seit sieben Jahren Chihuahuas. In seinem Rudel leben drei Rüden und sieben Hündinnen jeden Alters. Seit Jahren ist er mit einer Züchterin aus der Ukraine in Kontakt, deren Hunde ihn begeistern und von denen er unbedingt einen Welpen aus einer bestimmten Verpaarung haben wollte. Im Februar, gerade als sich Corona in Europa verbreitete, war es dann so weit, es fiel ein Wurf und es war glücklicherweise eine vielversprechende Hündin für ihn dabei. Bei Welpen aus sogenannten nicht gelisteten Drittländern gibt es besondere Auflagen für den Import nach Deutschland; die Welpen müssen mindestens sieben Monate alt sein, siehe Infokasten. Die ukrainische Züchterin ist international sehr gut vernetzt und organisierte auch für Frank Jakob den Transport – wie immer mit einem professionellen Dog Service. Die Kosten für den Transport lagen bei 300 Euro, der Transport wurde für Anfang September geplant. Doch die Kontrollen an der Grenze der Ukraine nach Polen dauerten immer länger. Auch verdoppelte das Transportunternehmen kurzerhand seine Preise, da durch Corona viel mehr Unwägbarkeiten zu erwarten waren. Das machte Frank Jakob mit, denn er wollte seine längst ins Herz geschlossene Hündin unbedingt haben.

Anfang September war abzusehen, dass die Junghunde im Auto 12 bis 14 Stunden allein für die Einreise nach Polen benötigen würden, und es war nicht garantiert, ob der Transport wenigstens danach zügig vorangehen würde. Die besorgte Züchterin und Frank Jakob wollten der jungen Hündin eine so lange und ungewisse Reise nicht zumuten. Darum einigten sie sich, dass sie den Transport verschieben. Anfang Oktober schien alles besser, es ergab sich kurzfristig, dass ein Platz für den Chihuahua bei einem Transport nach Dresden frei wäre. Frank Jakob änderte sofort seine Termine, um seine lang ersehnte Chihuahuahündin persönlich in Dresden in Empfang zu nehmen. Doch dieser Transport kam nicht zustande. Es folgten wieder vier Wochen Ungewissheit, ob und wann die Kleine käme. Ende Oktober dann die Nachricht, jetzt würde direkt ein Transport starten. Es folgten zwei Tage voller Ungewissheit, und dann, in der Nacht zum zweiten November, klingelte es und die inzwischen knapp neun Monate alte Hündin wurde gebracht. Frank Jakob ist überglücklich, dass die Kleine endlich da ist und es ihr sehr gut geht.

 

Internationale Hilfe für Hunde in Not trotz Corona

Michelle Will von der Hope Hundehilfe transportiert Hunde für Tierschutzvereine aus Tierheimen in Süd- und Osteuropa nach Deutschland, Belgien und in die Niederlande. Dabei arbeitet sie mit den Veterinärämtern der verschiedenen Länder über das sogenannte europäische Informationssystem TRACES zusammen. Über das System sind die verschiedenen Ämter aus dem In- und Ausland datentechnisch miteinander verknüpft. Jeder Hund, der aus einem europäischen Land ausreist, wird vom zuständigen Amtsveterinär ein bis zwei Tage vorher untersucht, EU-Ausweise/Impfungen werden kontrolliert, der Chip wird ausgelesen und mit dem Pass verglichen. Die zuständigen Amtsveterinär*innen füllen dann die erforderliche TRACES-Bescheinigung mit den Daten des Hundes aus. Außerdem wird die Art des Transports, die Dauer, Ankunftsort und -zeit sowie Daten der Endstelle bzw. Pflegestelle eingetragen. Das TRACES-System soll den Import kranker Hunde verhindern, ebenso wie die illegale Einfuhr von Hunden durch kriminelle Hundehändler.

Michelle Will hat fast das ganze Jahr EU-weite Hundetransporte fahren können. Lediglich sechs Wochen im März, April, also zu Beginn der Pandemie, ging gar nichts. Danach haben die Veterinärämter wieder TRACES ausgestellt. Es gab auch gelegentlich Kontrollen, aber die bezogen sich auf die Länge von Michelle Wills Auslandsaufenthalt, um eventuelle Quarantäneauflagen festzustellen. Die Hunde haben von all dem nichts mitbekommen, Wartezeiten waren nicht länger als sonst. Alle konnten aus den Tierheimen geholt und in ihr neues Zuhause gebracht werden.

Für Michelle Will und die Hope Hundehilfe lief es in der Corona-Pandemie fast genauso unkompliziert wie vorher, das liegt sicherlich an der guten Zusammenarbeit der Veterinärämter mit den Tierheimen. Komplizierter wurde es für rein private Hundetransporte; die Bemühungen seriöser Züchter*innen über die Grenzen hinweg sind deutlich erschwert. Es bleibt weiterhin für sie eine große Ungewissheit, ob ihre sorgfältig aufgezogenen und ins Ausland versprochenen Welpen überhaupt auf ihre Reise in ein neues Zuhause gehen können. Dabei ist das auch für die Entwicklung der verschiedenen Hunderassen von enormer Bedeutung, denn nur so können die Genpoole in den verschiedenen Ländern vergrößert und die Gesundheit der Rassen erhalten bzw. verbessert werden. Es bleibt also zu hoffen, dass sich weiterhin möglichst wenig Züchter*innen von den Einschränkungen abschrecken lassen.

 

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