Bewegung macht schlau!

Wie körperliche Aktivität das Denkvermögen fördert

Von Lisa Margraf – LESEPROBE aus der SPF 42 –

 

„Leben ist Bewegung und ohne Bewegung findet Leben nicht statt.“ Dieses Zitat von Aristoteles beschreibt übertragen, was wir alle längst wissen: Bewegung und Sport haben positive Auswirkungen auf das Leben von Zwei- und Vierbeinern. Körperliche Aktivität verbessert geradezu alle biologischen Systeme und ihre Zusammenarbeit im Körper unserer Hunde.

Durch ein erhöhtes Bewegungspensum kann beispielsweise die Sauerstoffumsetzung in der Muskulatur verbessert, das Herz-Kreislauf-System aktiviert, die Durchblutung und die Gefäßelastizität gesteigert, die Atemeffizienz verbessert und das Immunsystem gestärkt werden. Auch langfristige Effekte sind durch eine vermehrte körperliche Aktivität festzustellen: Der Einlagerungsprozess von Knochenmasse in den einzelnen Knochen wird angeregt, wodurch die Knochenstruktur dichter und kompakter und somit resistenter für Verletzungen und den Knochenabbau wird. In der Tat wird dementsprechend durch regelmäßige Bewegung die Leistungsfähigkeit gesteigert. Immer mehr wird klar: Der gesamte Körper profitiert von Bewegung. Eine besondere Rolle kommt dabei den unzähligen Botenstoffen zu, die während eines Trainings in den Muskeln produziert werden. Über das Blut wirken sie überall im Körper – auch im Gehirn. Experten vermuten, dass durch ein erhöhtes Aktivitätsmaß auch kognitive Prozesse positiv beeinflusst werden können und durch bestimmte Übungen die Neubildung von Hirnzellen und deren effektive Verschaltung beeinflusst werden kann. Ein gezieltes Bewegungstraining trainiert demnach nicht nur Muskeln, Sehnen, Bänder, Gelenke und das Herz-Kreislauf-System, sondern auch den Kopf. Schlussfolgernd heißt das, dass wir das Denkvermögen und die Leistungsfähigkeit des Gehirns unserer Hunde durch ein gezieltes Bewegungstraining in speziellen Teilbereichen optimieren können.

 

Was passiert durch Bewegung im Gehirn?

Körperliche Aktivität steigert die regionale Durchblutung im Gehirn. Die Intensität ist dabei je nach Lokalisation unterschiedlich. Zudem verändert sich auch die Qualität des Stoffwechsels im Gehirn in bestimmten Regionen positiv. Das hat zur Wirkung, dass mehr Sauerstoff und generell mehr Nährstoffe in den Kopf transportiert werden, wodurch das Denkvermögen regelrecht angeregt wird. Je nachdem, welche Bewegungsübungen durchgeführt werden, verbessert sich die Durchblutung prozentual und optimiert somit das geistige Potenzial. Auf lange Sicht bewirkt ein gezieltes Bewegungstraining die Neubildung von Blutgefäßen – nicht nur in der Muskulatur, sondern auch im Gehirn. Man spricht von einer verstärkten Kapillarisierung, die den Nähr- und Sauerstofftransport zum Gehirn verbessert.

Es ist nachgewiesen, dass eine regelmäßige körperliche Aktivität Einfluss auf das Wachstum und die Verknüpfung der Nervenzellen untereinander im Gehirn hat. Spezielle Bewegungen sollen das Gehirn sogar strukturell und funktionell verändern: Bewegung fördert die Verzweigung von Dendriten und die Synapsenbildung im Gehirn. Spannend ist auch, dass sich anscheinend durch bestimmte körperliche Aktivitäten neue Gehirnzellen im Hippocampus bilden. Dieses Gehirnareal erfüllt eine wichtige Funktion, wenn es um das Gedächtnis und die Speicherung von Informationen geht. Es ist in alle Lernvorgänge zentral eingebunden und sorgt dafür, dass Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis verlagert werden. Dadurch wird das Denkvermögen, die Aufmerksamkeit und die Gedächtnisleistung unserer Hunde positiv beeinflusst. Die interessante Frage ist nun: Welches Training ist dafür notwendig? Unterschiedliche Forschungen haben nachweisen können, dass Koordinationstraining die kognitive Leistung positiv beeinflusst.

 

Koordination

Unter Koordination wird das Zusammenspiel aller Sinnesorgane, von dem zentralen und peripheren Nervensystem und der Skelettmuskulatur innerhalb einer Bewegung oder eines Bewegungsablaufes verstanden: Eine Situation, die von den Sinnesorganen wahrgenommen wird, wird vom Gehirn verarbeitet. Das Gehirn plant dabei sozusagen die Bewegung und sendet die entsprechenden Impulse an die Muskulatur, die für die Ausführung zuständig ist. Das geschieht in Sekundenschnelle. Je harmonischer die Systeme dabei zusammenarbeiten, umso effizienter und ökonomischer sind auch die Bewegungsabläufe. Wir, wie auch unsere Hunde, greifen tagtäglich auf die koordinativen Fähigkeiten zurück: Beim Gehen, Stehen, Hinsetzen – alle Bewegungen einzelner Gliedmaßen oder auch des gesamten Körpers basieren auf dem Koordinationsvermögen.

Detailliert betrachtet erscheint die Koordination relativ komplex und beinhaltet nicht nur das Erlernen, sondern auch das Steuern und Anpassen von Bewegungen. Physiologisch wird zwischen der inter- und intramuskulären Koordination differenziert.

Unter der intermuskulären Koordination (lat.: inter = zwischen) wird das Zusammenspiel zwischen mehreren Muskeln untereinander durch das Nervensystem verstanden. Im Zentrum steht dabei die Abstimmung zwischen den agonistischen (Spieler) und antagonistischen (Gegenspieler) Muskeln innerhalb eines Bewegungsablaufs. Je besser deren Abstimmung ist, umso weniger Energie muss für die entsprechende Bewegung aufgebracht werden. Eine Verbesserung der intermuskulären Koordination hat eine Optimierung des Bewegungsablaufs und damit eine Vergrößerung der Leistungsfähigkeit zur Folge.

Die intramuskuläre Koordination (lat.: intra = innerhalb) beschreibt das Zusammenspiel der einzelnen Muskelfasern innerhalb eines Muskels durch das Nervensystem. Ausschlaggebend dabei ist die Anzahl der motorischen Einheiten im Muskel, die zeitgleich rekrutiert werden, und damit, wie viel Kraft der Muskel entfaltet. Umso mehr Muskelfasern bei einer Muskelkontraktion rekrutiert werden können, desto mehr Kraft kann folglich entwickelt werden.

Neben der Differenzierung zwischen inter- und intramuskulärer Koordination wird zwischen sieben koordinativen Fähigkeiten unterschieden, die sich bereits in den ersten Lebenswochen der Welpen anbahnen. Bereits jetzt sollte damit begonnen werden, die koordinative Kompetenz zu beüben. Natürlicherweise entwickeln sich die koordinativen Fähigkeiten von Hunden mit dem Heranwachsen stetig und erreichen im frühen Erwachsenenalter ihren Höhepunkt. Mit zunehmendem Alter bauen sie wieder ab. Wie schnell die motorischen Fähigkeiten nachlassen, ist individuell und kann durch körperliche Aktivität positiv beeinflusst werden. Koordinationstraining ist also für jeden Hund empfehlenswert. Auch als Verletzungsprophylaxe eignet sich Koordinationstraining ideal: Bei guten koordinativen Fähigkeiten minimiert sich das Verletzungsrisiko um ein Vielfaches.

Die bekannteste Koordinationskomponente ist die Gleichgewichtsfähigkeit. Sie beschreibt die Fertigkeit des Körpers, das Gleichgewicht zu erhalten oder wiederherzustellen. Für das Gleichgewichtstraining ist es wichtig, dass das Gleichgewicht herausgefordert wird. Normalerweise liefern drei Wahrnehmungssysteme – die Augen, das Gleichgewichtsorgan im Innenohr und die Rezeptoren der Muskeln, Gelenke und der Haut – Informationen an das zentrale Nervensystem, wo sie weiterverarbeitet werden. Das Gehirn sendet dann den entsprechenden Befehl an die Muskulatur, an Sehnen, Bänder und Gelenke, die das Gleichgewicht aufrechterhalten. Um gezielt die Gleichgewichtsfähigkeit zu trainieren, wird eines der drei oben genannten Wahrnehmungssysteme ausgeschaltet, irritiert oder besonders herausgefordert. Dadurch müssen die anderen beiden Systeme intensiver agieren, um das entstandene Defizit auszugleichen. Das Gehirn muss somit die übrig gebliebenen Informationskanäle vermehrt beanspruchen und lernt dabei die einzelnen Systeme gezielter zu nutzen.

Ein weiterer Teilaspekt der Koordination ist die Reaktionsfähigkeit. Sie garantiert die schnelle motorische und zielgerichtete Reaktion auf ein bestimmtes Signal oder auf Geschehnisse. Sie wirkt dabei eng mit der Reaktionsschnelligkeit zusammen: Ein gezieltes Reaktionstraining kann die Reaktionsgeschwindigkeit und zugleich das Denkvermögen verbessern.

Auch die kinästhetische Differenzierungsfähigkeit ist ein Teil der Koordination. Sie beschreibt die Fähigkeit, einen Bewegungsablauf im Hinblick auf seine Qualität zu beurteilen und entsprechend zu dosieren. Dadurch werden Bewegungen ökonomisch, exakt und differenziert durchgeführt und an die vorliegende Situation adaptiert. Durch Training der Differenzierungsfähigkeit können die eingesetzten Kräfte besser dosiert und somit eine Qualitätsverbesserung der Bewegungsleistung erreicht werden.

Als Nächstes ist die Rhythmusfähigkeit zu nennen. Unsere Hunde müssen den Rhythmus nicht zwingend im Blut haben. Rhythmusfähigkeit lässt sich auch bei unseren Vierbeiern trainieren, wie jede andere koordinative Fähigkeit. Dabei kann der Rhythmus, der in eine Bewegung umgesetzt wird, entweder von außen vorgegeben oder aber verinnerlicht sein.

Nicht zu vergessen ist die Orientierungsfähigkeit. Sie definiert sich über die Fähigkeit wahrzunehmen, wo sich der eigene Körper in einem Raum befindet, und diese Lage zielgenau zu verändern. Um das bewerkstelligen zu können, ist der Hund auf seine Sinnesorgane angewiesen, vor allem auf seinen Seh-, Hör- und Geruchssinn sowie auf das Temperaturempfinden. Zudem spielt die Muskulatur (vor allem die Tiefensensibilität) und der Gleichgewichtssinn eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die grundlegende Orientierungsfähigkeit des Hundes ist angeboren. Sie kann durch Erfahrungswerte und Übungen verbessert und ausgeprägt werden.

Eine der wichtigsten koordinativen Fähigkeiten ist die Umstellungsfähigkeit. Sie ermöglicht die schnelle Anpassung oder Änderung einer geplanten Bewegung an neue Gegebenheiten und ist daher vor allem im Sinne der Verletzungsprophylaxe wichtig.

Komplexe Bewegungsabläufe setzen sich aus vielen kleinen Bewegungen zusammen, die räumlich, zeitlich und dynamisch aufeinander abgestimmt werden müssen – das ist die Kopplungsfähigkeit. Das Gehirn wird hier besonders gefordert.

Umso mehr wir mit unseren Hunden an ihrer koordinativen Kompetenz arbeiten, umso einfacher fällt ihnen generell das Erlernen neuer Übungen. Bei Hunden mit ausgeprägten koordinativen Fähigkeiten hat sich das Gehirn sozusagen bereits daran gewöhnt, häufig neue Bewegungsmuster auszuführen. Je mehr eine Bewegung geübt wird, umso stärker bildet sich der entsprechende neuronale Pfad aus. Je nach Alter, Körperkonstellation und Sportlichkeit des Vierbeiners sollte ein anderer Fokus im Koordinationstraining gesetzt werden. Für jegliches Koordinationstraining gilt: Abwechslung und Variabilität sind der Schlüssel zum Erfolg. Koordinationstraining lebt von Veränderung und ist vor allem dann effektiv, wenn die Übung ständig abgewandelt und damit neue Reize gesetzt werden. Das bedeutet folglich, dass es ein allgemein gültiges Koordinationstraining nicht gibt. Jedoch gibt es einige Aspekte, die für das effektive Beüben koordinativer Fähigkeiten ratsam sind.

(Den vollständigen Artikel gibts in der SPF 42…)

 

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