Qualzucht im VDH?

Liebe Leserinnen und Leser,

am vergangenen Freitag sendete der NDR einen Fernsehbeitrag zum Thema Qualzucht im VDH: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/die_reportage/diereportage535.html

Während wir bei Cadmos heute morgen darüber sprachen, dass dieses Thema eigentlich viel mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit verdient, sind wir über einen offenen Brief Sophie Strodtbecks an den VDH gestolpert. Gemeinsam mit Frau Stodtbeck möchten wir die Gelegenheit nutzen, um Sie zu einer konstruktiven Diskussion einzuladen. Wie stehen Sie zu diesem Thema? Welche Chance sehen Sie als Hundebesitzer, vielleicht sogar als Züchter, Einfluss auf die Gesundheit der betroffenen Rassen zu nehmen? Was wünschen Sie sich vom VDH? Was sagen Sie zu Sophie Strodtbecks Meinung? Wir freuen uns, dass sie sich bereit erklärt hat, an der Diskussion ebenfalls teilzunehmen.

_____________________________________________________

„Für uns steht sowieso die Gesundheit der Tiere im Vordergrund“  (Zitat aus dem TV Beitrag)  

Sehr geehrte Damen und Herren,  

welch ein Hohn, wenn man die Bilder in der Reportage und auch auf jeder der von Ihnen veranstalteten Ausstellungen sieht. Ich war mehrfach in Dortmund, was ich da gesehen habe, lässt mir als Tierärztin das Herz bluten! Meine Konsequenz daraus ist, dass ich solche Veranstaltungen meide, in Büchern und Artikeln aufkläre, und mich leider sehr schwer tue, Ihren Verband als Verband für das deutsche Hundewesen zu sehen – wenn man sich die auf Ihren Veranstaltungen prämierten Hunde anschaut, muss man wohl leider eher vom Verband für das deutsche HundeUNwesen reden. Denn wenn Sie sich wirklich um das Hundewesen in Deutschland kümmern würden, wäre es nicht möglich, dass auf derartigen Veranstaltungen diejenigen die dicksten Pokale im Arm haben, an deren Leinenende sich die schlimmsten Qualzuchten befinden.

Hunde, denen die Möglichkeit zum Atmen genommen wurde;

Hunde, die nicht mehr laufen können;

Hunde, die nicht mehr in der Lage sind, mit Artgenossen zu kommunizieren;

Hunde, deren Aufgabe ursprünglich die Jagd war, die aber aufgrund der langen Ohren die Nase nicht mehr auf den Boden bekommen, ohne über ihre Ohren zu stolpern;

Hunde, bei denen es schwerfällt, das Gesicht zu erkennen, weil es unter Massen von Falten verschwinden;

Hunde, deren Augenlider auf der Höhe der Oberlippe sitzen, weil das Ektropium züchterisch gewollt ist;

Hunde, die mit einem Erwachsenengewicht von einem Kilogramm nicht mehr lebensfähig sind;

Hunde, die aufgrund eines völlig absurden Schönheitsideals nicht mehr in der Lage sind, Nachwuchs auf natürlichem Wege zu gebären;

Hunde, bei denen der Hydrocephalus das Kindchenschema unterstreichen soll;

Hunde, die im Stehen mit dem Bauch den Boden berühren, weil Beine fast nicht mehr vorhanden sind;

Hunde, deren Rücken immer noch länger werden, so dass massive gesundheitliche Probleme vorprogrammiert sind;

Hunde, die nichts mehr mit dem Rassestandard von vor 50 Jahren gemein haben;

Hunde, deren Kleinhirn in der Schädelhöhle keinen Platz mehr findet;

Hunde, die oft nicht mehr in der Lage sind, die Aufgaben, für die sie ursprünglich gezüchtet wurden, zu erfüllen.

Die Liste liesse sich leider endlos weiterführen. Warum wird von Seiten des VdH nicht eingegriffen, endlich ein klares Zeichen gesetzt? Warum werden solche Hunde weiterhin prämiert? Wie kann ein Verband wie der Ihre so etwas mit ruhigem Gewissen fördern? Warum können Menschen Hunde bei VdH-Züchtern kaufen, denen kein normales Leben mehr möglich ist, und die ohne teure Operationen oft gar nicht lebensfähig sind?   Natürlich geht die Kritik nicht nur an den VdH (der aber als Verband in meinen Augen längst hätte handeln müssen), sondern auch an diejenigen, die solche Hunde produzieren und verkaufen und natürlich an die Käufer solcher Hunde, die das gute Geschäft mit dem Leid dadurch unterstützen.  Leider (ein Schelm, wer böses dabei denkt) kann man auf Ihrer Seite keine Kommentare posten, so dass mir nur der Weg über eine private Nachricht bleibt. Stellen Sie doch bitte diese Mail auf Ihre Seite zur Diskussion?! Ich werde es auf meiner Seite verbreiten….  

 Ich verbleibe in Erwartung Ihrer Stellungnahme mit freundlichen Grüßen,  

Sophie Strodtbeck, Tierärztin

_______________________________________________________

Wir sind gespannt auf Ihre Meinungen und eine niveauvolle Diskussion. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir unsachliche oder beleidigende Kommentare nicht freischalten werden.

Teile diesen Beitrag

20 Gedanken zu „Qualzucht im VDH?

  • 24. Juni 2013 um 20:06
    Permalink

    Hallo!
    Ich meine, es wird sich erst dann was ändern, wenn auf den Shows anders gerichtet wird.
    An den offiziellen Rassestandards hat sich im Laufe der Zeit fast nichts geändert, aber die veränderte Interpretation führte zu einer „Übertypisierung“ die man oftmals nur noch als Elend bezeichnen kann.

    Ich wünsche mir:

    • Fortbildungen der Richter durch unabhängige Spezialisten für die jeweiligen „Problemzonen“ der Rassen um diese Richter zu sensibilisieren und ein Umdenken einzuleiten.

    • Unter Beteiligung ebensolcher tierärztlicher Spezialisten festgelegte Zuchtziele der jeweiligen Rassen innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes.

    • Unterstützung der Züchter bei der Durchführung dieser Änderungen durch Genetiker und auch durch eine zeitliche Vorgabe, die ihnen eine Chance gibt, die neuen Zuchtziele erreichen zu können.

    • Pflicht zur Veröffentlichung verdeckter Erbkrankheiten wie Epilepsie, Syringomyelie etc., die erhebliches Leiden verursachen.

    Die Liste ist sicherlich noch erweiterbar.
    Phänotypisch sollte bei ernsthaftem Ansinnen innerhalb von einigen Jahren ne Menge zu machen sein.
    Wie man die erblich bedingten Verhaltensänderungen wie schwachem Nervenkostüm oder Triebhaftigkeit bis hin zur fast gänzlichen Ausschaltung anderer Funktionskreise prüfen und bewerten soll, scheint mir dagegen schwierig. Wie geht man mit dem Ridgeback um, dessen rassetypischer Ridge schon eine erbliche Deformation darstellt? Oder der Haarlosigkeit beim Chinesischen resp. Mexikanischen Nackthund? Komplett verbieten?

    Ich hoffe, die öffentliche Empörung ist dieses Mal groß genug, um bei den Funktionären des VDH ein Umdenken einzuleiten und dauerhaft weg von Qualen auslösenden Extremen zu kommen.

    Karin Kirchgessner, Tierärztin

    • 26. Juni 2013 um 14:33
      Permalink

      Ich schliesse mich allen Wünschen an!

      Vom VdH kam, wie zu erwarten, keine Reaktion. Man wird das Thema vermutlich mal wieder aussitzen…..

  • 24. Juni 2013 um 20:01
    Permalink

    Ich fürchte eines der Probleme ist, dass viele Züchter und Hundebesitzer das Ausmaß des Leidens das für die Hunde mit bestimmten Rassemerkmalen verbunden ist, gar nicht richtig einschätzen können. Beim Mops gehört es halt zur Rasse, dass er röchelt und schnauft und manche finden das gemütlich und nett oder freuen sich, dass sie auch beim Spaziergang im Dunklen immer wissen wo der Hund ist. Dass das für den Hund gar nicht gemütlich und nett ist, sondern zumindest mit schwerem Unbehagen bis hin zur Todesangst verbunden ist, wird nicht wahrgenommen oder erst wenn der Hund kollabiert. Und das gilt für viele andere Extremmerkmale in gleicher Weise.

    Hier hilft nur Aufklärung, Aufklärung und immer wieder Aufklärung. Und dazu bietet das Internet ja die besten Möglichkeiten

    Sehr viel sehr Anschauliches zu diesem Thema findet man im Blog der Produzentin des Films „Pedigree Dogs Exposed“ Jemima Harrison: http://pedigreedogsexposed.blogspot.co.at/

    • 26. Juni 2013 um 14:30
      Permalink

      ….und auf der Website von Frau Sommerfeld-Stur:

      http://www.sommerfeld-stur.at

      Ich denke auch, dass Aufklärung der potentiellen Käufer einzig zielführend sein wird, zumindest aussichtsreicher, als zu versuchen an / in den Zuchtverbänden oder gar dem Dachverband etwas zu ändern. Erst müsste dort einmal ein Problembewusstsein entstehen 🙁

      PS: Das Argument, den Standort des Hundes auch im Dunkeln bestimmen zu können, kannte ich noch gar nicht, klingt aber sehr plausibel 😉

Schreibe einen Kommentar