Jagdhunde bedürfnisgerecht belohnen
+++ LESEPROBE aus der SPF 44 +++
Von Ines Scheuer-Dinger
Um nachhaltig, fair und freundlich am Jagdverhalten des Hundes zu arbeiten, sind passende Belohnungen unabdingbar. Nur wenn du die Bedürfnisse deines Hundes kennst, sie dir zunutze machst und kleinschrittig arbeitest, wird das Training erfolgreich sein und dein Hund wird auch ohne Strafreize zuverlässig am Wild kontrollierbar sein.
Aber gerade wenn der Hund groß oder schwer ist und er mit vollem Körpereinsatz seiner Leidenschaft, dem Jagen, frönen möchte, wünscht man sich nichts sehnlicher als einen „Aus-Knopf“ fürs Jagen. Verzweiflung lässt manche Besitzer dann durchaus über Strafreize nachdenken mit dem Wunsch, das Verhalten schnell abzustellen, damit auch der Hund bald wieder ohne Stress und ohne Leine unterwegs sein kann.
So einfach ist es nicht und es gibt leider keinen nebenwirkungsfreien „Aus-Knopf“ in Sachen Jagen. Hunde, die im jagdlichen Einsatz auf Härte selektiert wurden, das heißt schmerzunempfindlich sein sollen und sich auch nicht von wehrhaften Wildtieren beeindrucken lassen sollen, sind nicht mit „ein bisschen Strafe“ von so einem elementaren und ausdrücklich selektierten Verhalten wie dem Jagen abzuhalten. Um hier überhaupt beim Hund durchzukommen, müsste die Strafe so heftig sein, dass der Hund sich auf seiner Sicherheitsebene bedroht fühlt. Das ist ethisch meiner Meinung nach nicht vertretbar. Gerade weil es auch einen Weg über bedürfnis- und belohnungsbasiertes Training gibt, der den Hund nachhaltig kontrollierbar macht.
Bedürfnisse und Belohnungen – die Basis für freundliches und nachhaltiges Training
Erfolgreiches Training am Jagdverhalten heißt für mich, immer Bedürfnisse in Einklang zu bringen:
- Die Bedürfnisse des Hundes: Diese können mitunter je nach Selektionsgeschichte sehr speziell sein.
2. Die Bedürfnisse des Hundehalters: Was wünscht er sich vom Hund? Wie stellt er sich entspannte Spaziergänge vor? - Die Bedürfnisse der Umwelt: Wie werden das Wild bzw. allgemein andere Tiere nicht gestört? Wie können Vorschriften und Verordnungen eingehalten werden? Wie stört der Hund keine Mitmenschen? Welche Umwelt/Umgebung steht mir für Spaziergänge zur Verfügung?
In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns im Training und innerhalb dieses Bereichs liegen auch realistische Trainingsziele. So ist es also nicht erste Priorität, dass der Hund immer Freilauf haben muss, sondern dass Hund und Mensch entspannte Spaziergänge genießen können, ohne dabei jemanden – bewusst oder unbewusst – zu stören.
Bevor wir im Training mit Belohnungen starten, sollten wir zunächst die Lernbedingungen des Hundes optimieren und Hintergrundstress im Alltag minimieren. Hierzu lohnt es sich, einen Blick auf die Haltungsbedingungen und Spaziergewohnheiten zu werfen. Viele Jagdhunde in Nichtjägerhand bekommen zwar ein – sogar oft straffes – Beschäftigungsprogramm, der Fokus liegt hierbei aber eher auf Quantität als auf wirklicher Bedürfnisbefriedigung. Langfristig bedeutet unpassende Beschäftigung, gepaart mit Spaziergängen, bei denen das Jagdverhalten verhindert oder gehemmt wird, einen frustrierten Hund. Dieser Hund wird immer heftiger nach jagdlichen Auslösern suchen und schlecht ansprechbar sein.
Genau deshalb sollten wir hier schon genau hinsehen, welche Bedürfnisse der Hund hat. Was würde er gern tun, wenn Anarchie herrschen würde? Wie kann ich ihm vielleicht eine passende Alternative bieten? Und genau aus dieser Frage lassen sich schon eine Vielzahl an Belohnungen ableiten, die wir später auch ins Training integrieren können.
Ein doppelt positiver Effekt: Unser Hund kann seine Bedürfnisse befriedigen und ist so ausgeglichener, weniger impulsiv und lernt schneller – zeitgleich haben wir dadurch effektive Belohnungen, die das Lernen im jagdlichen Kontext nachhaltiger machen.
Gerade deshalb macht das Training mit jagdlich motivierten Hunden viel Spaß und funktioniert auf Basis der positiven Verstärkung so gut.
Im jagdlichen Einsatz passiert das übrigens häufig ganz automatisch und oft ohne dass sich der Hundeführer Gedanken um das Thema Belohnungen macht: Zum einen hat der Hund häufig die Möglichkeit, seine speziellen Bedürfnisse auszuleben, was ihn kooperativer macht, zum anderen wird Ansprechbarkeit mit Arbeitsaufgaben verknüpft. Dies passiert zum Beispiel, wenn der Jagdhund gerade ohne Leine im Gelände unterwegs ist, der Jäger ihn ruft und ihn zum Stöbern in eine Dickung schickt. Es ist also nicht verwunderlich, dass viele jagdlich geführte Hunde trotz eher unstrukturiertem Training oft gut ansprechbar sind, denn die Verstärker sind meist passend und hochwertig.
Belohnungen – mehr als nur Kekse
Wenn ich möchte, dass Signale im Hundegehirn eine Relevanz bekommen, müssen diese Signale mit unterschiedlichen Motivationslagen verknüpft werden. Das gilt im Kontext Jagdverhalten vor allem für Stopp und für Abrufsignale.
Der Unterschied zwischen gut gemeint und gut gemacht ist beim Thema Belohnen sehr deutlich. Denn nur wenn die von uns gewählte Belohnung zur momentanen Bedürfnislage des Hundes passt, verstärkt sie auch ein Verhalten. Der Hund entscheidet, was eine Belohnung ist.
Bei einem Jagdhund heißt dies zusätzlich, dass man Belohnungen aus dem jagdlichen Kontext in mein Belohnungsrepertoire mit aufnehmen sollte. Allein mit Futter wird sich das Jagdverhalten eines Hundes nicht verändern lassen. Ein umfangreicher Blick auf das Thema Belohnungen ist hier vonnöten.
Die Beutefangsequenz eines Hundes besteht ursprünglich aus Orientieren, Fixieren, Beschleichen, Hetzen, Packen, Töten, Zerlegen und Fressen. Die einzelnen Elemente sind individuell ausgeprägt und jedes für sich bereits selbstbelohnend. Genau deshalb lassen sich aus diesen einzelnen Verhaltenselementen auch eine Vielzahl von Belohnungsmöglichkeiten ableiten, die wir in abgewandelter Form im Training einsetzen sollten.
Überblick auf die Jagdverhaltenskette und die daraus resultierenden Belohnungen
ORIENTIEREN:
> Leckerchen großräumig suchen
> Spielzeug oder Dummy suchen
> Über eine Kuppe laufen
> Auf eine Erhöhung springen und Ausschau halten
> Mit der langen Leine ein Stück ins Unterholz gehen (bitte nicht in der Brut- und Setzzeit!)
> Mäuse suchen
> Leckerchen in Bäumen suchen
> Wildwechsel und andere interessante Stellen abschnüffeln
FIXIEREN
> Spielzeug oder Futter belauern (vorher mit dem Hund aufgebaut und unter Signal gestellt)
> Signal für Beobachten, weiterschauen lassen und loben
> Schnüffelstellen abschnüffeln
> Wittern
> Vorstehen an der Reizangel oder am Spielzeug an der Schnur
BESCHLEICHEN
> Beschleichen an der Reizangel
> Gemeinsam mit dem Menschen schleichen
HETZEN
> Ball/Spielzeug/Dummy hinterherrennen
> „Kegeln“ von großen (runden) Futterstücken
> Hetzen an der Reizangel oder Spielzeug an der Schnur
> Gemeinsam mit dem Menschen rennen
> Suche auf der Rückspur
>> Denke ans gemeinsame Runterfahren danach!
PACKEN & TöTEN
> Zerrspiel
> Apportieren (wenn der Hund es gern von selbst tut)
> Was zum „Knautschen“ geben, z. B. einen Gummiball
> Leckerchen schnappen
> Schütteln und Beuteln von Spielzeug (vorher unter Signal gestellt)
ZERLEGEN
> Zerrupfen (Schaffell)
> Brottüten auspacken
> Kauteilchen, Kaustangen und große Kekse knuspern
> Gefüllte Küchenrolle zerlegen
> In Küchentuch verpackte Leckerchen rausfriemeln
>> Bei der Wahl der Belohnungen muss immer die aktuelle Umwelt und die Befindlichkeit des Hundes mitberücksichtigt werden!
Jede für den Hund lohnenswerte Verhaltensweise lässt sich unter Signal stellen und später als Belohnung einsetzen.
Damit das Training mit bedürfnisorientierten Belohnungen funktioniert, muss man für den Ernstfall und nicht im Ernstfall trainieren (… denn da ist die passende Belohnung meist nicht parat …). Konkret heißt das, du bist zum Beispiel mit deinem Hund draußen unterwegs und kommst zur Wiese, auf der dein Hund flitzen darf. Bevor du ihn loslässt, fragst du noch mal ein Signal für Aufmerksamkeit ab, markierst seine Reaktion und schickst ihn dann als Belohnung los. Genauso könnte es sein, dass du eine besonders spannende Stelle vor deinem Hund entdeckt hast (das kann eine Liegestelle von Wild sein oder ein Wasserloch, in das dein Hund gern geht); du fragst vorher ein Signal ab, das wichtig in eurem Alltag ist, markierst sein Verhalten und schickst deinen Hund dann dorthin.
Du siehst, es ist wichtig, Signale regelmäßig mit Umweltbelohnungen oder lohnenden Verhaltensweisen aufzuladen, damit diese auch im Ernstfall zuverlässig funktionieren. Signale, die nur mit Futter verknüpft werden, haben meist im Kontext Hetzen keine Relevanz für das Hundegehirn.
Die Sache mit der Erregung
Die meisten jagdlich motivierten Hunde sind außerdem sehr leicht erregbar. Schnell und impulsiv zu reagieren ist ein Zuchtziel im Jagdgebrauch: Man möchte ja keinen Hund, der erst mal überlegt, ob es Sinn macht, Jagdverhalten zu zeigen, oder ob er jetzt dem Hasen wirklich hinterherrennen soll. Es braucht Hunde, die reaktiv sind und deren Jagdverhalten nicht störungsanfällig ist. Hohe Erregung ist allerdings der Feind eines ansprechbaren und kontrollierbaren Hundes.
Genau deshalb haben Hundebesitzer oft das Bedürfnis, ihre Hunde ruhig zu belohnen, um den Hund nicht noch mehr hochzufahren.
Für den Hund kann der rasche Abfall der Erregung bei einer sehr ruhigen Belohnung aber frustrierend sein. Ist der Hund noch voller Bewegung und Euphorie, wird es ihm schwerfallen, sich auf ruhige Belohnungen einzulassen. Entweder er nimmt diese Belohnung gar nicht an und sucht sofort wieder nach Auslösern in der Umwelt oder die von uns gut gemeinte Belohnung wird zwar angenommen, wirkt aber trotzdem nicht verstärkend.
Wenn wir allerdings den Hund auf seinem aktuellen Erregungsniveau abholen, ihm vielleicht noch die Möglichkeit geben, ein wenig „die Sau rauszulassen“ und uns dann Zeit nehmen, in der Belohnung gemeinsam mit dem Hund runterzufahren, ist dies viel effektiver. Ich kann also in aufregenden Situationen durchaus mit einem wilden Zerrspiel beginnen, den Hund auch wirklich noch mal hochfahren, damit er seine Erregung durch Bewegung abbauen kann und dann gemeinsam mit ihm runterfahren. Der Übergang sollte dabei behutsam sein und keine Impulskontrolle strapazieren. Vielmehr sollte der Mensch im Spiel ruhiger werden, ruhiger atmen, das Spielobjekt weniger heftig bewegen oder auch dem Hund überlassen, seinen Körper seitlich ausrichten und ruhig mit dem Hund reden. Beenden kann ich das Spiel dann mit einer ruhigen Futtersuche. Würde ich das Spiel auf einem hohen Erregungsniveau einfach beenden, so kann dies in der Tat das Jagdverhalten verstärken, denn der Hund wird frustriert sein, wenn das Spiel auf einmal abbricht, und sich nach dem nächsten Auslösereiz umsehen, der wieder Dopamin verspricht.
Auch ein Ballspiel ist beim Jagdhund nicht verboten, wenn man auf ein schönes „Nachspiel“ und gemeinsames Runterkommen achtet. Es ist sogar eine gute Möglichkeit, das Verhaltenselement Hetzen im Training als Belohnung damit aufzugreifen, wenn der Hund daran Spaß hat.
Einige Dinge sollten allerdings beim Ballspielen berücksichtigt werden:
- Der Hund sollte gesund und ausgewachsen sein.
- Er sollte bereits aufgewärmt sein, bevor das Spiel beginnt.
- Der Untergrund sollte rutschfest und eben sein.
- Der Mensch sollte so werfen, dass abruptes Abstoppen vermieden wird.
- Das „Nachspiel“ sollte genauso lange dauern wie das Spiel auf hoher Erregung.
Zerr- und Wurfspiele sind also eine gute Möglichkeit, den Hund genetisch fixierte Verhaltenselemente aus dem Bereich Jagdverhalten ausleben zu lassen. Wenn der Mensch seinem Hund dabei hilft, die Erregung wieder Schritt für Schritt abzubauen, können sie als Belohnung eingesetzt werden.
(…) Dies ist eine Leseprobe aus der SPF Ausgabe 44, den vollständigen Artikel und viele weitere Themen finden Sie im Heft! Die Ausgabe kann versandkostenfrei im Cadmos-Shop als Einzelheft bestellt werden.