Begegnungen an der Leine

LESEPROBE aus der SPF Sonderausgabe „Hundeprobleme“

Von Katrien Lismont

 

Begegnungen, die „auffällig“ machen

Eines der häufigsten Themen im Verhaltenstraining ist wohl das unerwünschte ungestüme Verhalten an der Leine, wenn der Hund einen anderen Hund, einen Jogger, einen Fußgänger, ein Auto, ein Fahrrad, ein Pferd oder sonst einen Auslöser sieht. Das Verhalten ist für den Hundehalter extrem frustrierend und meistens fühlt er sich machtlos und verzweifelt. Nachvollziehbar, denn meistens ist der Hund nicht ansprechbar, egal mit welcher Vehemenz er das Verhalten zeigt: Manche Hunde legen sich hin und lauern, andere Hunde erstarren, wieder andere gehen bellend und knurrend nach vorn in die Leine, und manchmal beißen sie so ungestüm um sich, dass es den neben ihm stehenden Menschen am Knie erwischt. Gemeinsam haben all diese Verhaltensweisen eins: Nichts von dem, was der Hund mal gelernt hat, kann er dort und dann ausführen. Im Gegenteil: Die Reaktionen sind nicht mehr kognitiv gesteuert und der Hund ist nicht mehr ansprechbar. Die schlechte Nachricht ist: Je öfter er in dieses Verhalten zurückfallen kann, desto besser übt er sich darin.

 

Versteckte Verstärker

Schlimmer noch: Durch einige Konsequenzen, die wir bewusst oder unbewusst bieten, wird das Verhalten sogar verstärkt. Die ganze Situation hat es also in sich. Bellt der Hund einen anderen Hund an, der an ihm vorbeigeht, ist die direkte Folge aus der Sicht des Hundes, dass sich der Auslöser Hund von ihm entfernt. Das Gleiche gilt für Jogger, Trecker und sonstige Auslöser, die am Straßenverkehr teilnehmen oder in unserer Gassisituation auftauchen. So kann sich hieraus ein Verhalten entwickeln, das für den Hund zu einer für ihn passenden Bewältigungsstrategie wird, weil die Konsequenzen belohnend für ihn wirken. Bellen – Entfernung – Erleichterung – Verschwinden. Und alles ist wieder gut. Leider ist das dem Hundehalter nicht immer klar, und so kann es sein, dass sich das Verhalten von Mal zu Mal verschlimmert. Verstärktes Verhalten zeigt sich schneller, heftiger, länger oder wird einfach ewig weiter am Leben erhalten. Und beim menschlichen Umfeld kommt es in der Regel gar nicht gut an.

 

Was will er eigentlich?

Dass eine Distanzvergrößerung, eine Entfernung vom Auslöser für den pöbelnden Hund erleichternd wirkt und das vorhergehende Verhalten verstärkt, zeigt uns, dass der Hund in vielen Fällen reaktiv ist, weil er sich nicht in der Lage fühlt, die Begegnung oder die Nähe zum anderen Hund souverän zu meistern, wenn er angeleint ist. Der emotionale Hintergrund findet sich am allerhäufigsten in Angst und zumindest in Unsicherheit. Angst und Unsicherheit wovor? Das hängt wie so oft vom individuellen Hund ab. Von seinen Erfahrungen, von seinem Alltag, von seiner körperlichen und seelischen Verfassung.

 

Das wird schon?

Das Verhalten legt sich nicht unbedingt mit dem Alter oder mit der Geschlechtsreife oder einfach mit der Zeit. Aus dem sozialen Umfeld kommen – meistens ungefragt – viele Vorschläge, was zu tun sei. So entpuppt sich doch tatsächlich der Nachbar, der Chef, der Schwiegervater oder ein sonstiger Bekannter als vermeintlicher Hundeexperte. Fernsehsendungen über Hundetraining sind meistens genauso wenig hilfreich. Viele Erklärungen bedienen sich der Vermenschlichung und sind Fehlinterpretationen. Dazu kommt, dass die unterschiedlichen TV-Ratschläge selten effektiv sind und sich nicht gerade durch einen respektvollen Umgang mit dem Partner Hund auszeichnen. Oft genug sind sie kontraproduktiv, nicht ungefährlich, verschlimmern das ganze Verhalten noch und schaffen neue Baustellen. Warum? Weil jeder Hund, jeder Hundehalter und jedes Umfeld anders ist. Für Begegnungsprobleme gibt es keine Lösung von der Stange.

 

Schnell muss es gehen

Die Verführung, sich für schnelle Lösungen zu entscheiden, ist sehr groß. Wer will dieses Übel nicht am liebsten sofort weghaben? Ein reaktiver Hund, je nach Stärke, in der er das Verhalten zeigt, ist eine wahre Belastung, egal wie lieb man ihn hat. Aus dem Umfeld kommt Druck, weil einige solcher Hunde tatsächlich eine Gefahr darstellen können. Zumindest sieht es bei einem laut pöbelnden Hund ganz danach aus, auch wenn dieser keiner Fliege etwas tun würde. Je nach Größenverhältnis zwischen Hund und Mensch, je nach Wohnlage, je nach Gassimöglichkeiten und sonstigen Faktoren, die im alltäglichen Zusammenleben mit einem „komplizierten“ Hund verbunden sind, kann von Unmut bis zur Verzweiflung jede Emotionsnuance beim Besitzer entstehen. Das Leben mit einem solchen Hund kann ebenfalls sehr einschränkend wirken. Eine Urlaubsbetreuung wird nicht gefunden oder ist nicht zumutbar, Tierarztbesuche, Gruppentrainings, Spaziergänge, Besucher im Haus: Alles sind Faktoren und Umstände, die besonders überlegt sein wollen oder nicht ohne Sicherheitsmaßnahmen machbar sind. Adieu, sorgloses Leben mit dem Kumpel Hund …

Also, es muss eine Besserung her, und zwar schnell.

hund_trifft_hund_fotoViele Optionen

Die gute Nachricht ist: Es gibt Lösungen. Es gibt sogar eine Vielfalt davon. Es gibt gewaltfreie Lösungsansätze und es gibt natürlich auch brachiale. Es gibt Lösungen mit Köpfchen und es gibt welche mit nur Bauchgefühl oder pseudofachkundigem Wissen oder jene, die ausschließlich auf Rangordnung und physische Einwirkung setzen. Es gibt entsprechend viele Trainer und Trainerinnen, die dazu ein Verhaltenstraining anzubieten haben. Das macht es für den Hilfe suchenden Hundehalter nicht einfach.

Als Verhaltenstrainerin mit Schwerpunkt Leinenaggression betone ich immer wieder, dass der Erfolg mit der Umsetzung der Maßnahmen und des Trainings steht oder fällt. Allerdings sollten diese Maßnahmen und das Training ebenfalls gewaltfrei und respektvoll sein. Man sollte sich als Hundehalter immer die Frage stellen: Wie geht es meinem Hund dabei? Was macht das mit ihm? Wie reagiert er darauf und wie verhält er sich danach? Wenn Vorgehensweisen empfohlen werden, die dem Hund wehtun, ihn einschüchtern oder erschrecken, gelten sie nicht als gewaltfrei. Es gibt nicht „ein bisschen“ oder „größtenteils“ gewaltfrei. Gewaltfrei ist immer ohne Druck, Zwang und Schmerzen. Punkt.

Ebenfalls sind die Ratschläge, die auf starke „Rangreduzierung“ setzen oder körperliche Übergriffe beinhalten, für die Hundehalter nicht leicht uneingeschränkt zu befolgen. Der Hundehalter kann sie wirklich nur bedingt umsetzen, denn oft genug ist der Hund in seinen eigenen vier Wänden ein verschmuster und ruhiger Geselle. Drinnen kann er abschalten und sich sicher fühlen. Dann fällt die lückenlose Umsetzung von „strengem“ Training oftmals schwer.

Weicht man dann vom genau vorgegebenen Protokoll ab, ist man vermeintlich selbst schuld am Versagen. Und so ist man als Hundehalter hin- und hergerissen: Will ich besseres Verhalten oder möchte ich im Haus schöne Momente mit meinem Hund?

 

Lauter Hund, starke Maßnahmen?

Häufig wird argumentiert, dass man leinenaggressive Hunde nicht mit sanftem Training hinbekommen kann, es soll sogar unverantwortlich sein – stellen diese „Killerhunde“ doch eine potenzielle Gefahr für die Gesellschaft dar. Wenn solch ein Hund nicht schnellstens mit Radikalmethoden umerzogen werde, drohe die Todesspritze. Damit werden allzu oft Starkzwangmethoden und grober Umgang gerechtfertigt. Für mich grenzt dies an emotionale Manipulation. Da wir in diesem Beitrag immer noch über Hunde reden, die sich zwar furchtbar heftig an der Leine gebärden, wenn sie einen anderen Hund sehen, und dabei sehr häufig noch niemanden gebissen oder ernsthaft verletzt haben, kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass diese Hunde es verdienen, einfühlsam behandelt zu werden.

Ich stelle meinen Kunden gern die Frage, ob sie das Gefühl haben, dass das Pöbeln beim Sehen von Auslösern wirklich damit zu tun hat, dass der Hund uns zeigen will, wo es langgeht, dass er uns auf der Nase herumtanzt oder dass er unsere Führungsrolle infrage stellen will. Wäre es nicht eher plausibel und viel logischer anzunehmen, dass der Hund dort und dann mit dieser Situation einfach nicht klarkommt? Dass er ein unerwünschtes Verhalten zeigt, weil ihm andere Strategien fehlen? Oder weil er sich dermaßen unsicher fühlt, dass ein Verhalten nach vorn für ihn effektiver ist?

Angst und Unsicherheit bei Begegnungen werden mit Sicherheit nicht therapiert, indem man einen Hund ans untere Ende der Familienhierarchie zurückstuft und körperlich einschränkt. Im Gegenteil: Durch das wachsende Gefühl von Ohnmacht wird dieser Hund eventuell weitere Verhaltensprobleme entwickeln. Diese gehen von erlernter Hilflosigkeit bis zur generalisierten Aggression. Und von Freude mit dem Kumpel Hund kann bei solchen distanzierenden und einschüchternden Maßnahmen auch leider nicht die Rede sein.

 

Wo finde ich den Generalschalter?

Nun denn, den gibt es leider nicht. Auch wenn viele dieser Verhaltensweisen ähnliche Ursachen haben, gibt es nach meiner Erfahrung keine einheitliche Lösung. Jeder Hund ist individuell zu betrachten und jedes Hund-Mensch-Team setzt sich komplett eigen zusammen. Aber es gibt ein Schema, das beim ganzheitlichen Vorgehen sehr hilfreich ist und das ich beim Verhaltenstraining penibel einhalte.

 

Hundgerechte Haltung

Bei der Ursachenforschung sollte an erster Stelle die Frage stehen: Hat der Hund alles, was er braucht, um ein artgerechtes Leben zu führen? Gutes Futter und Wasser, einen sicheren Lebensplatz (wo er sich nicht ständig fürchten muss und nicht zu viel Zeit allein verbringen muss) sowie ausreichend Bewegungsmöglichkeiten? Auch drinnen. Das wären nur mal die Basics. In der Regel sieht es in diesem Bereich für die meisten Hunde recht gut aus.

Das Thema der Fütterung allerdings ist ein Kapitel für sich. Wie viel, wie verabreicht, wie oft und wann? Und natürlich auch was und in welcher Form? Dieses Thema allein schon würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, aber in einer Erstbetrachtung gehört es besprochen. Das Futter sollte vom Hund gut vertragen werden und keine Probleme im Verdauungssystem verursachen.

 

Gesundheit und Schmerzen

Als Nächstes kommt die Gesundheit. Ist der Hund grundsätzlich gesund und ist er schmerzfrei? Genau hier wird es spannend. Ein sehr großer Teil der Hunde, die mir wegen ihres unerwünschten Verhaltens (das kann auch Hyperaktivität oder überhöhte Reizbarkeit sein) vorgestellt werden, hat Schmerzen. Das ist gar nicht so einfach festzustellen, aber im Zusammenhang mit dem Wunsch nach Distanzvergrößerung macht das wiederum Sinn. Wenn es um Schmerzen geht, können Hunde uns sehr lange sehr viel vortäuschen. Wenn der Hund dann tatsächlich humpelt, ist schon eine starke Schmerzthematik vorhanden. Ich empfehle meistens, parallel zum oder vor dem Training, den Hund einem Orthopäden oder einem versierten Hundephysiotherapeuten oder -osteopathen vorzustellen.

Denn eins ist klar: Solange Schmerzen als Dauerstressor im Alltag existieren, wird man weder mit Training noch mit anderen Maßnahmen echt weiterkommen. Das Training wäre reine Symptombekämpfung, die viel Zeit, Nerven und Aufwand kostet, aber auf Dauer keinen oder wenig Effekt hat und den Frustfaktor drastisch erhöht – bei Mensch und Hund. So kommt es schnell zu häufigen Trainerwechseln und irgendwann gibt man auf. Dem Hund geht es dabei keineswegs gut.

Zum Glück gibt es heutzutage eine enorme Auswahl an Behandlungsmöglichkeiten, um Probleme und Schmerzzustände im Bewegungsapparat zu therapieren.

Bei Schmerzen außerhalb vom Bewegungsapparat sollte man dringend einen Tierarzt befragen. Therapiert man diese Ursachen mit Erfolg, wird man feststellen, dass sich bereits einiges im Verhalten bessert. Zumal sich dadurch als Nebeneffekt auch die Trainierbarkeit erhöht. Hunden, die Schmerzen haben, kann man weder durch Training noch durch andere Managementmaßnahmen nachhaltig helfen.

Beim reaktiven Verhalten wird häufig die Schilddrüse verdächtigt. Tatsächlich sind die Werte oftmals nicht optimal. Auch in diesem Fall finde ich es wichtiger, erst einmal nachzufragen, warum sich das Organ dereguliert hat, und nach möglichen Schmerzen oder sonstigen Stressoren im Körper oder Alltag zu forschen und diese zu beseitigen. Der Hund sollte zwecks einer solchen Abklärung einem Tierarzt, der sich mit der Schilddrüsenthematik auskennt, vorgestellt werden.

Für die Hundehalter ist das Verstehen, dass der eigene Hund Schmerzen hat, eine der größeren Hürden im Verhaltenstraining. Wie sollte ein womöglich junger Hund, der springt und läuft und tobt, Schmerzen haben können?

 

Balance im Alltag, Freude statt Frust

An dritter Stelle steht die Balance im Alltag. Auch dieser Aspekt ist sehr individuell zu betrachten. Bei der Balance im Alltag geht es um die Auslastung, aber auch um das Ruhe- und Schlafpensum des Hundes, sowohl quantitativ wie auch qualitativ. Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Action, nicht nur körperlich und im Idealfall eine ausgewogene Kombination von mentaler und physischer Auslastung. Konkret in Beispielen ausgedrückt: Nicht nur schnüffelnd an der Leine nebenhertrotten, sondern mit ausreichendem Freilauf. Nicht nur im Akkord hinter dem Ball herhetzen, sondern Aufgaben fürs Hirn, wie Tricks und Suchaufgaben, die fordern und fördern. Nicht nur Spiele mit hoher Energie, sondern im Wechsel auch mal ganz ruhige Tätigkeiten. Nicht nur endloses Toben mit anderen Hunden, sondern auch etwas, um das Mensch-Hund-Team zusammenzuschmieden.

Kurzum, suchen Sie etwas, bei dem Ihr Hund aufleuchtet und danach zufrieden und ausgeglichen wirkt. Bringen Sie sich in das Spiel ein. Wechseln Sie von langsam zu schnell und umgekehrt, werden Sie kreativ und kombinieren Sie Suchaufgaben mit Erziehungselementen und Apportierspaß mit Impulskontrollübungen und vieles mehr. Der Hund macht eine Menge mit und wird die Qualitätszeit mit Ihnen genießen.

 

Balance kommt nicht von „Ball“

Fakt ist, dass viele Hunde oft täglich hinter einem Bällchen hergetrieben werden. Sie sollen ausgepowert werden, damit keine Energie für das falsche Verhalten übrig bleibt. Das führt oft jedoch dazu, dass sie schnell, impulsiv, ungeduldig und fahrig werden. Und das wirkt meistens kontraproduktiv beim Training an der Leinenreaktivität. Es ist in meiner Praxis bereits mehrmals passiert, dass eine Reduktion des hirnlosen Ballspiels gereicht hat, um das reaktive Verhalten positiv zu beeinflussen, und zwar in erheblichem Maß. Schneller und einfacher geht Verhaltenstraining nicht.

 

Pausen und Entschleunigung

Mit Hunden, die ein schwieriges Verhalten an den Tag legen, wird häufig intensiv am Verhalten trainiert. Nicht viele Hunde würden das Training an ihrem Verhalten als Hobby betrachten, wenn sie gefragt würden. Sie haben eben keine Wahl und werden ständig mit der Situation, in der sie für gewöhnlich die Fassung verlieren, konfrontiert. Deshalb ist es sehr wichtig, besonders für diese Hunde ein Ventil für Frust und Kummer zu organisieren. Schaffen Sie Ausgleich und Qualitätszeit, denn Verhaltenstraining greift extrem viel Impulskontrolle ab und da können sich die Emotionen auch einmal stauen. Freude und Ruhe im angemessenen Wechsel und Maß sind hier angebracht.

 

Um-Lernen

Wenn alle diese Aspekte des Hundealltags und des Wohlbefindens unter die Lupe genommen worden sind, ist die Bahn frei für das Training, für die Um-Erziehung. Denn Lernen geht am besten, wenn das Nervenkostüm nicht übermäßig belastet ist.

Seitdem ich mich mit dem BAT-2.0-Trainingssystem vertraut gemacht habe, sind für mich folgende Faktoren beim Umlernen eines reaktiven Hundes oberste Priorität:

 

Für den Menschen:

  • Ein fundiertes Wissen um die Körpersprache des Hundes. Das wird dem Menschen nicht nur bei unerwünschtem Verhalten helfen.
  • Leiser Umgang mit dem Hund (weniger verbale Signale, mehr Hinweise durch subtile Körperausrichtung).
  • Ein feines und einfühlsames Leinenhandling, sodass der Hund das Gefühl hat, nicht fest- oder zurückgehalten zu werden.
  • Ein gutes Timing beim Trainieren von Click für Blick, bei dem es darum geht, dass der Hund eine neue Verknüpfung mit dem Auslöser lernt und sich dann schnell an seinen Menschen umorientiert.
  • Der Wille, den Hund in seinem Tempo lernen zu lassen, die Bereitschaft, auch mal wieder einen Schritt zurückzugehen.
  • Ein peripherer Blick für dasjenige, was um einen herum geschieht. So kann man zum Beispiel auch das Verhalten der anderen Hunde beobachten und einschätzen. Man lernt durch die Augen des Hundes zu sehen.

 

Für den Hund:

  • Eine gute Orientierung am Menschen.
  • Eine gute Leinenführigkeit.
  • Eine leichte und schnelle Umorientierung, auch bei Ablenkung.
  • Ein festes Sitz als Notnagel, wenn der Hund aus einem Ausraster zu stoppen ist.
  • Eine geordnete Flucht, wenn nichts anderes mehr geht.

 

Selbstwirksames Lernen

Die meisten der oben genannten Elemente gehören ohnehin zu dem Repertoire eines gut eingespielten Mensch-Hund-Teams. Es sind die Hausaufgaben, die vor dem Beginn des Verhaltenstrainings abzuarbeiten sind.

Wenn es aber an das Begegnungstraining geht, bedenken Sie, dass gerade reaktive Hunde alle Pfoten voll zu tun haben, wenn sie einen Auslöser sehen. Sobald der Hund zum Beispiel einen anderen Hund wahrnimmt – und das ist nicht immer sehr deutlich sichtbar für uns –, egal wie weit dieser entfernt ist, hat alles Verhalten, das er zeigt, mit der Bewältigung dieser Begegnung zu tun. Das ist der Grund, warum es so produktiv ist, wenn der Hund selbstwirksam ein eigenes Verhalten entdecken und entwickeln kann, ohne dass ihm alles vorgesagt wird. Dazu hält der Hundehalter eine längere Leine von ca. 5 m locker in der Hand und bleibt – vis-à-vis vom Auslöser – hinter dem eigenen Hund. Wenn der Hund zögert, bleibt sein Mensch stehen. Will er weitergehen, kann der Mensch hinter ihm weitergehen. Möchte er sich entfernen, dann sollte man ihm das ermöglichen. Geht er schräg und langsam auf den Auslöser zu, ist auch das in Ordnung. Lediglich wenn der Hund direkt und schnell auf den anderen Hund zugeht, wird er von uns sanft ausgebremst. Das sanfte Stoppen gehört ebenfalls zu einem einfühlsamen Leinenhandling.

 

Leise und an lockerer Leine

Am besten kann man diese Begegnungen in gut organisierten Trainingssituationen erlernen. Wie bei jedem Verhalten, das neu trainiert wird, sollte man dann Schritt für Schritt dieses Verhalten in Alltagssituationen transportieren, sodass es generalisiert werden kann.

Der Hund lernt, durch ein höfliches, deeskalierendes Verhalten diese bisher für ihn belastenden Begegnungen ohne negative Konsequenzen zu bewältigen.

Bei diesem Training ist es schön, dass der andere Hund dadurch immer nur einen Hund sieht, der keinen Anstoß gibt. Auf diese Weise lockert sich die Begegnungssituation von beiden Seiten.

 

Tellington TTouch®: eine Methode, viele Facetten

Die Tellington-TTouch®-Methode hilft uns dabei, den Hund tiefer entspannen zu lassen und gelassener zu werden. Somit kann man mit der Tellington-TTouch®-Methode den Hund auf schwierige Situationen vorbereiten. Durch die TTouches, die qualitätsvollen Berührungen, kann man schmerzhafte Verspannungen lockern und den Hund seinen Körper bewusster wahrnehmen lassen. Hat der Hund die Wirkung der TTouches einmal kennengelernt, ist es ein unübertroffenes Entspannungsmittel. Die Körperarbeit wirkt insgesamt lockernd auf die Muskeln und besänftigend auf das Nervensystem. Im Bodenparcours kann er lernen, im Gehen zu entschleunigen und seinen Körper dennoch sicherer und präziser fortzubewegen. Dies führt zu mehr Bodenhaftung, Trittsicherheit und Selbstsicherheit. Die Körperbänder und das Thundershirt sind ebenfalls geniale Hilfsmittel, um Hunden mehr Selbstwahrnehmung zu vermitteln. Einfach und schnell angelegt, geben sie dem Hundekörper mehr Input an mehreren Stellen und haben einen beruhigenden Effekt.

Schließlich ist die Balance Leine eine praktische Führhilfe, wenn es darum geht, starke Hunde in ihrer Mitte halten zu können und dabei selbst im Gleichgewicht zu bleiben. Gleichzeitig kann man mit der Balance Leine die Leinenführigkeit nach vorn bringen. Tellington TTouch® ist wahrhaftig ein Kapitel für sich und eine wundervolle Ergänzung zu jeder Art von Training, insbesondere wenn es um unerwünschtes Verhalten geht.

 

Fazit: Ganzheitlich, mit Selbstwirksamkeit und ohne Gewalt

Das sind die Wege, die ich in diesem Artikel beschreiben wollte. Man kann sich nun fragen: All das, weil ein Hund bei Begegnungen an der Leine ausrastet? Wenn man das unerwünschte Verhalten nachhaltig abstellen möchte: ja und auf jeden Fall. Selbst wenn man kein Problemverhalten zu bewältigen hat, sollte man den Hund ganzheitlich betrachten. Jeder Hundehalter, der sich einen vierbeinigen Kumpel ins Haus holt, möchte doch, dass sich der Hund bei ihm wohlfühlt und ein bestmögliches Leben führen kann, so lange, wie es nur geht.

Es ist nicht schwerer und dauert auch nicht länger, komplizierte Hunde umzuerziehen, ohne Gewalt und ohne Druck. Wert sind sie es allemal.

 

hund_trifft_hundBuchtipp: Hund trifft Hund. Entspannte Hundebegegnungen an der Leine

Katrien Lismont, 128 Seiten, 19,95 Euro

ISBN: 978-3-8404-2048-1

+++ erscheint im Frühjahr 2017 im Cadmos Verlag +++

AUS DEM INHALT
• Ganzheitliche Detektivarbeit – das „Warum“ verstehen
• Aggression an der Leine – viele Gesichter
• Mögliche Fehler in der Vergangenheit
• Neue Trainingswege
• Fallbeispiele

 

Katrien Lismont…

… ist Inhaberin der Hundeschule DOGood in Bretzfeld bei Heilbronn. Sie ist Tellington TTouch Practitioner (P2),  zertifizierte BAT Instruktorin und Cumcane® Trainerin. In ihrem Praxisalltag kombiniert sie das Markertraining mit Elementen aus der Tellington-TTouch®-Methode, wie auch mit hundetypgerechtern Bach-Blüten-Beratung und einer ganzheitlichen Begleithung des Mensch-Hund-Teams. In ihrer Hundeschule bietet sie sowohl Verhaltenstraining wie auch Erziehungs- und Beschäftigungskurse an. Mit ihrem Mann und drei Hunden lebt sie  im Hohenloher Land.

Weitere Informationen:

www.dogood.de

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