Sightsniffing. Riechenswürdigkeiten für Hunde

– LESEPROBE aus der Sonderausgabe „Beschäftigung und Spiel“ –

Von Sabine Thiel

 

Sie ist klein, feucht glänzend, sie ist schier unvorstellbar leistungsfähig und sie muss praktisch andauernd irgendwo herumschnüffeln: die Hundenase. Mit ihrem kleinen Wunderwerk können unsere Hunde nicht nur ganz phantastisch riechen – sie wollen es auch unbedingt.

Schnuppern ist ein echtes Grundbedürfnis unserer Hunde und muss nicht trainiert werden – wir müssen ihnen nur die Gelegenheit dafür geben. Lassen wir uns von unseren Hunden doch einmal in die spannende Welt der Gerüche entführen und begleiten sie auf eine Sightsniffing-Tour!

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Sightsniffing? Noch nie gehört? Lernen Sie es gemeinsam mit ihrem Hund kennen und lieben! Wenn Hunde ihre Nase einsetzen dürfen wie und wo sie wollen, machen sie sich direkt daran, die besonderen Riechenswürdigkeiten ihrer Welt zu erkunden. Wir Menschen gehen beim Sightseeing auf Erkundungstour, besuchen ferne Länder und nehmen teils weite Strecken in Kauf, um uns besondere Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Den gleichen Stellenwert hat das Erkunden von Riechenswürdigkeiten der Geruchswelt für Hunde! Dafür ist weder aufwändiges Training notwendig, noch braucht man dazu spezielle Ausrüstung. Wir müssen unseren Hunden lediglich die Gelegenheit dafür bieten, ihre Welt zu erkunden. Aber wie sieht die Welt durch die Hundenase eigentlich aus?

 

Nasenwunder Hund

Vergleiche wie „ein Hund kann eine Million mal besser riechen als ein Mensch“ hat bestimmt jeder schon einmal gelesen. Aber wie leistungsfähig die Hundenase tatsächlich ist, geht weit über die menschliche Vorstellungskraft hinaus. Ein kleines Beispiel gefällig? Anne Lil Kvam berichtet in ihrem Buch „Spurensuche“, dass jeder Hund mit nur wenig Training in der Lage sei, zwei markierte Sandkörner auf einem 500 Meter langen, 50 Meter breiten und 50 Zentimeter tiefen Sandstrand wiederzufinden! Unglaublich, oder?

Die phänomenale Nasenleistung unserer Hunde beruht auf einigen anatomischen Besonderheiten. So besitzen Hunde je nach Rasse zwischen 120 und 230 Millionen Riechzellen in ihrer Riechschleimhaut – im Vergleich dazu kommen wir Menschen gerade einmal auf etwa 30 Millionen. Rund ein Zehntel des Hundegehirns ist für die Verarbeitung der von der Hundenase gesendeten Informationen verantwortlich – zum Vergleich: beim Mensch ist es weniger als ein Prozent. Logisch, dass so eine Supernase auch am liebsten eines macht: ausgiebig Schnuppern! Lassen wir uns also von unseren Hunden beim Sightsniffing in ihre Geruchswelt entführen und lernen ihre phantastische Nasenleistung besser kennen – danach werden wir unsere Vierbeiner mit ganz anderen Augen sehen.

 

Sightsniffing – Nasenarbeit ganz einfach

Wer kennt das nicht? Da steht man ungeduldig neben seinem Hund, der sich seit gefühlten Stunden an einem unscheinbaren Grasbüschel festgeschnüffelt hat. Am Ende zieht man ihn dann leicht genervt an der Leine weiter, denn da hat er doch nun wirklich lange genug gestanden…

Genau dieses ausgiebige Erkunden ist beim Sightsniffing jetzt ausdrücklich erwünscht! Wir schalten also gewissermaßen einen Gang herunter und erkunden beim Sightsniffen gemeinsam mit unseren Hunden die Riechenswürdigkeiten dieser Welt. Das Tolle am Sightsniffen ist: man braucht kein besonderes Equipment, keine Vorkenntnisse, man muss noch nicht mal Extrazeit investieren. Man braucht nur ein wenig Geduld und Phantasie – dann kann man gemeinsam die spannendsten Geruchsabenteuer erleben! Möglichkeiten für eine Sightsniffing-Tour gibt es unzählige – und sie fangen direkt vor der eigenen Haustür an: Beim sprichwörtlichen Zeitungslesen am Laternenpfahl. Beziehungsweise müsste man in der heutigen Zeit vermutlich sagen: Der Hund loggt sich auf seinem Twitter-Account ein, liest die neuesten Kommentare, und setzt am Ende für seine Follower ebenfalls einen Tweet ab.

Lassen wir uns doch von unseren Hunden erzählen, wo es am spannendsten riecht! An der Häuserecke? Im Gebüsch? Was der Hund da beschnüffelt und wie er diese Gerüche genau wahrnimmt, werden wir natürlich nie erfahren. Aber die Begeisterung unseres Hundes angesichts spannender „Pee-Mails“, die er in Ruhe lesen darf, ist für jeden erlebbar. Jeder Spaziergang kann so zum besonderen Erlebnis werden, egal ob es nur der alltägliche Gassigang ist oder ob der Hund eine ihm noch unbekannte Strecke ausgiebig erkunden darf. Da wir diese Ausflüge für unseren Hund machen, bestimmt er auch die Strecke und die Geschwindigkeit – auch wenn das bedeutet, dass wir in einer halben Stunde gerade einmal 100 Meter weit kommen. Beim Sightsniffen ist der Weg das Ziel!

Damit die Sightsniffingrunde auch für beide zum Genuss wird, sollte der Hund bei Schnüffel-Ausflügen unbedingt ein gut sitzendes Brustgeschirr und eine nicht zu kurze Leine (keine Flexi-Leine!) tragen. Denn auf der Jagd nach den interessantesten Geruchs-Nachrichten kann der Hund schon mal überraschend zur Seite springen oder an der Leine ziehen, und am Brustgeschirr können wir ihn ruhigen Gewissens gewähren lassen. Auf unseren Entdeckertouren überlassen wir dem Hund komplett die Führung: jetzt ist weder die richtige Zeit für Leinenführigkeitstraining, Impulskontrollübungen noch Antijagdtraining. Unsere Hunde müssen sich in der heutigen, hektischen Welt so oft anpassen und einfach „funktionieren“, dass sie schlicht auch einmal Erholung vom Alltag brauchen. Was eignet sich da besser als ihr Lieblingshobby, die ausgiebige Nasenarbeit? Übrigens: Auch wir Menschen profitieren vom gemütlichen Schlendern mit dem Hund! Entdecken wir also gemeinsam die Langsamkeit und lassen uns vom Hund entschleunigen.

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