Mit der Nase dem Blutzucker auf der Spur
Von Michaela Ristau und Gabi Rosenbaum
„Zina, pass auf – such Hypo!“ Dieser Satz stammt aus dem Trainingsalltag eines Diabetes-Anzeige-Hundes. „Hypo“ steht für Hypoglykämie und bedeutet Unterzucker.
In Deutschland und auf der ganzen Welt steigt die Zahl der an Diabetes erkrankten Menschen stetig an. Einige Diabetiker/-innen, besonders des Typ-1-Diabetes (insulinpflichtig), bemerken nach langen Jahren der Krankheit die Anzeichen wie Schwitzen, Zittern, Unruhe nicht mehr, wenn der Blutzucker fällt. Dies kann zu kritischen Notfallsituationen führen, wie Orientierungslosigkeit und Bewusstlosigkeit bis hin zum Zuckerkoma. Auch Kinder und Jugendliche leiden häufig unter Blutzuckerschwankungen und die richtige Einstellung mit Insulin ist nicht immer einfach. Im Alltag bedeutet dies für die Betroffenen neben ständigem Blutzuckermessen auch enorme Einschränkungen in der Freiheit und Selbstbestimmtheit.
Hier können Hunde helfen!
Hunde sind nicht nur sprichwörtlich der beste Freund des Menschen, sondern können auch zum „Frühwarnsystem auf vier Pfoten“ werden, nämlich wenn sie als Diabetes-Anzeige-Hund auf den bestimmten Geruch des Unterzuckers trainiert sind. Anzeigehunde werden auch Anfallswarnhunde genannt und mit dem Ziel trainiert, Menschen auf bestimmte Anzeichen hinzuweisen, bevor diese in gesundheitsbedrohliche Situationen kommen.
Die Anzeige kann durch Bellen, Stupsen, Lecken, Pfote-Auflegen oder ein ähnliches Verhalten erfolgen, was sonst im Alltag nicht oder nur selten gezeigt wird. Weil sein Hund sich auffällig verhält, bemerkt der Diabetiker, dass etwas nicht stimmt, und kann daraufhin den Blutzucker mit dem Messgerät testen. Ausgebildete Diabetes-Anzeige-Hunde haben eine Trefferquote von 90–95 % in der Anzeige, ersetzen aber niemals das elektronische Blutzuckermessgerät oder den regelmäßigen Gang zum Facharzt/zur Fachärztin.
Wie können Hunde den niedrigen Blutzucker erkennen?
Hunde verfügen über 100-mal mehr Riechzellen pro Quadratzentimeter als der Mensch (je nach Rasse 125–225 Millionen Riechzellen, der Mensch besitzt im Vergleich circa 20 Millionen) und riechen dank ihrer enormen Nasenleistung die Veränderung von Hormonen im Blut. Dabei riechen sie quasi „stereo“, das heißt, sie erkennen, wo der Geruch herkommt, und können geringste Konzentrationen eines Geruchs lokalisieren.
Neben der Geruchskomponente verändert sich auch die Körpersprache des Diabetikers im Fall von Unterzucker, ebenso wie sich die sprachliche Ausdrucksfähigkeit verändern kann. Und Hunde sind zum einen Makrosmaten, das heißt Lebewesen mit einem sehr gut entwickelten Geruchssinn, aber zum anderen vor allem gute Beobachter, die sofort verändertes Verhalten ihrer Bezugsperson registrieren.
Einsatzgebiet Epilepsie
Ähnlich wie bei der Geruchsveränderung im Blut bei Diabetiker/-innen, nehmen Hunde auch bei Epilepsie-Erkrankten die Veränderungen kurz vor einem Anfall wahr. So können sie bis zu 30 Minuten (in der Regel wenige Minuten) vor einem epileptischen Anfall dessen Entstehung vorhersagen. Was die Hunde wahrnehmen, ist nicht mit Sicherheit geklärt, es wird vermutet, dass sich durch die Veränderungen der Prozesse im Gehirn auch der Geruch eines Anfallspatienten verändert und die Hunde hierauf reagieren. Anderseits können Hunde, wie bereits erwähnt, kleinste Verhaltensänderungen, wie Erweiterung von Pupillen oder Veränderungen der Körpersprache, bemerken. Esoterische Theorien gehen davon aus, dass Hunde Veränderungen in der Aura erkennen können. Was auch immer den Ausschlag gibt, Hunde nehmen auf jeden Fall etwas wahr, was uns Menschen verborgen bleibt, und sehr viel spricht für die Theorie, dass auf jeden Fall auch der Geruch daran beteiligt ist.
Epilepsie kann man sich vorstellen wie ein „Gewitter im Gehirn“. Es gibt unterschiedlich schwere Anfälle, die von kurzen Absencen, die manchmal nur aus kleinen Zuckungen oder kurzen Momenten der Abwesenheit, bis hin zu starken Krampfanfällen mit Bewusstlosigkeit reichen können. Auch hier können Hunde dem Menschen zur Seite stehen. Hunde können einen bevorstehenden Anfall melden, sodass ein/-e Betroffene/-r sich rechtzeitig in eine sichere Position bringen kann und von dem Anfall nicht auf der Treppe oder im Badezimmer überrascht wird. Damit sinkt die Gefahr, sich infolge eines Krampfanfalls schwer zu verletzen. Während des Anfalls können Hunde den Betroffenen beistehen, nach einem Anfall können sie vielfältige Hilfeleistungen übernehmen. So können sie lernen, einen Notrufknopf zu drücken, ein Telefon zu tragen oder eine Notfallbox mit Medikamenten zu bringen. Im freien Gelände kann der Hund andere Menschen zur Hilfe holen und Informationen zur benötigten Hilfe an fremde Personen reichen. Im Haus können sie Türen öffnen, wenn der Notdienst kommt, draußen können sie Betroffene, die nach einem Anfall orientierungslos sind, nach Hause führen.
Viele Patienten sagen aus, dass die Anfälle weniger geworden sind, seitdem ein Hund bei ihnen wohnt. Das lässt sich damit erklären, dass die Angst vor einem Anfall kleiner geworden ist. Es gibt Fälle, in denen Betroffene über Monate hinweg nicht mehr allein das Haus verlassen haben, weil sie Angst davor hatten, von einem Anfall auf offener Straße überrascht zu werden. Einen Anzeigehund für Epilepsie zu besitzen, erlaubt es ihnen, sich wieder unabhängig zu bewegen, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, und bringt damit ein großes Stück an Lebensqualität zurück.
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