Leseprobe Leckerchen-Debatte

Toshe Ognjanov / Shutterstock.com
Toshe Ognjanov / Shutterstock.com

Schwerpunkt der SPF 24 ist das Thema „Leckerchen – ja oder nein und warum?“

Foto: Toshe Ognjanov / Shutterstock.com

Lesen Sie vorab einige Textauszüge aus dem Heft. Die Ausgabe können Sie versandkostenfrei im Cadmos-Shop bestellen: http://www.cadmos.de/sitzplatzfuss24.html

 

Dr. Ute Blaschke-Berthold:

„Aber ich möchte nicht zum Futterautomaten degradiert werden!“

Menschen, die mit Futterbelohnungen arbeiten, als „Futterautomat“ zu bezeichnen, ist ebenso absurd wie die Bezeichnung „Ballwurfmaschine“ für Menschen, die mit ihrem Hund viel Ball spielen. Der Futterautomat ist ein Objekt, das Futter gemäß einigen wenigen programmierbaren Mustern auswirft. Ein Mensch ist ein Lebewesen. Füttern ist mit vielen verschiedenen Verhaltensreaktionen verknüpft, mit emotionalem Ausdrucksverhalten und unbewussten Verhaltensreaktionen. Füttern ist Verhalten! Für ein effizientes Training übt der Mensch, wann, wo und wie die Futterbelohnung am besten gegeben wird. Training mit Futter ist komplex, anspruchsvoll und sozial relevant: Füttern ist Sozialverhalten. Neben Sicherheit und Schutz ist Füttern eine der Säulen für Aufbau und Erhalt von Bindung.

 

Katharina Henf:

Futterbelohnung kann Emotionen beeinflussen.

In der Ausbildung zum alltagstauglichen Familienhund spielen Emotionen eine wichtige Rolle. Da für die meisten Hunde das Erlebnis von Futter im Mund Glückshormonausschüttungen auslöst, sind Futterbelohnungen ideal, um sie mit unterschiedlichen Dingen zu koppeln. Soll der Hund lernen, sich gern auf einen bestimmten Platz zu begeben, kann man im ersten Schritt das Verhalten (das Bewegen zum Platz) in kleinen Schritten belohnen, idealerweise gekoppelt mit einem Markersignal wie dem Clicker. Hat der Hund den neuen Platz erreicht, beginnt das emotionale Lernen: Der Hund bekommt jede Menge Clicks und Futterstückchen auf seinem Platz angereicht, und damit werden wahre Glücksgefühlwellen mit dem neuen Ort verknüpft. Keine andere Belohnung bietet diese Möglichkeit des stetig wiederholten Einsatzes in so kurzen Abständen und gleichzeitig so hoher Intensität. Aber auch für das bereits oben genannte „Sitz“ ist dieses positive Aufwerten der Übung der Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg. Um langfristig Emotionen zu beeinflussen, empfehle ich sogar, die Übung anfangs inflationär mit Futter zu koppeln, denn nur dadurch findet der Hund die Übung so toll, dass er das Futter irgendwann nicht mehr als Belohnung braucht. Halbherziges Füttern zwischendurch macht viel eher auch langfristig abhängig von der Futterbelohnung.

 

Heinz Weidt:

„Der hohe Reizwert des Futters lenkt in vielen Fällen von der selbständigen Aufgabenlösung ab. So wird dann nicht vorrangig gelernt, wie die eigene Aktivität zum Erfolg und damit zu guten Gefühlen führt, sondern wie man zu Futter kommt. Es legt sich also zugleich fest, nach welcher Art von Belohnung ein Hund künftig streben wird. Die Lust, eigenaktiv Aufgaben zu bewältigen und allein durch das Erfolgsgefühl belohnt zu sein, kann sich ebenso wenig einstellen wie das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.“

 

Viviane Theby:

Wenn mir einer sagt: „Im Wolfsrudel wird ja auch nicht mit Leckerchen belohnt“, habe ich dazu zwei Antworten: Zum einen gibt es auch im Wolfsrudel Futter als primären Verstärker, was dazu führt, dass entsprechende Verhalten häufiger werden. Denn eine erfolgreiche Kooperation wird bestenfalls von einem Jagderfolg (= Futter) belohnt.

Zum anderen will in einem Wolfrudel auch keiner einem anderen in dem Maße ein Verhalten beibringen, wie wir das bei Hunden wollen. Da geht es darum, Ressourcen für sich zu verteidigen. Aber ansonsten kann sich jeder Wolf natürlich verhalten. Das können Hunde jedoch vielfach nicht. Wir müssen ihr Verhalten ändern, wenn sie mit uns als angenehme Mitbewohner leben wollen. In der Regel geht es dabei eben auch nicht um Ressourcen. Denn die kontrollieren wir sowieso, weil wir das Futter im Schrank haben.

 

Sabine Winkler:

Futter ist eine Art Universalverstärker und praktisch für alle Tiere und eine große Vielzahl von Situationen als Belohnungsmöglichkeit geeignet und meist unkompliziert in der „Anwendung“. Warum also sollte man ausgerechnet bei der Hundeerziehung grundsätzlich darauf verzichten? Allerdings ist Futter auch nicht der einzige Verstärker und auch nicht für alle Situationen gleich passend. Allenfalls sehr sparsam verwende ich Leckerchen z. B. bei Welpen und Junghunden, wenn es um Sozialverhalten und um Umwelterkundung, einschließlich Hindernisarbeit geht. Ein normaler Welpe ist neugierig und mutig genug, vieles aus eigenem Antrieb oder mit einem Menschen oder Hund als „Vorbild“ zu erkunden. Dabei begleite und unterstütze ich ihn lieber ohne Leckerchen. Denn Futter lenkt ihn da eher vom selbstständigen Erkunden ab und er verknüpft womöglich manche Situationen mit Futtererwartung, bei denen ich das gar nicht unbedingt haben will.

Teile diesen Beitrag