Hundetraining ist (doch) ein Traumberuf, oder?
Von Dagmar Spillner
*** LESEPROBE aus der Sonderausgabe Hundeschule ***
In den letzten Jahren bin ich, bedingt durch Seminarreisen und Onlineveranstaltungen, vielen Kolleginnen und Kollegen begegnet. Eine Frage hat mich beim gemeinsamen Austausch immer besonders interessiert, nämlich: Warum bist du eigentlich Trainer*in geworden?
Wenn Sie jetzt glauben, dass die Antwort lautet: Ich möchte gern reich werden, Ansehen genießen und erwachsene Menschen aller Altersklassen unterrichten, dann muss ich Sie enttäuschen. Wenn Trainer*innen nach ihren Beweggründen gefragt werden, dann hellen sich in der Regel Gesichter auf und Geschichten sprudeln hervor. Sehr viele von uns lieben Hunde. Wir lieben es zu sehen, wie sie lernen, arbeiten, leben. Wir lieben ihre Verhaltensweisen und die verschiedenen Charaktere. Wir bestaunen ihre Auffassungsgabe und ihre Lösungsansätze. Wir schätzen ihre Loyalität und die Geradlinigkeit. Wenn ein Hund dich mag oder nicht mag, kannst du das ohne Umwege, Rätsel und versteckte Hinweise sofort erkennen. Sie lieben bedingungslos und können umwerfend witzig und lebensfroh sein. Wie kann man nicht mit ihnen zusammen sein wollen?
Wenn Sie so fühlen und sich vorstellen, jeden Tag noch mehr Hunde zu treffen und davon leben zu können, wäre das nicht wunderbar? Vielleicht ist auch ein Beweggrund, dass Sie festgestellt haben: Sie haben einen besonders guten Draht zu Hunden, die Ihnen begegnen. Was liegt näher, als diesen Weg beruflich zu beschreiten? Ich höre oft, dass das tiefe Interesse besteht, mehr über diese wundervollen Tiere zu erfahren. Entweder weil der eigene Hund besser verstanden werden soll oder weil der Wunsch vorherrscht, das Leben von Hunden zu verbessern. Die Ansprüche, die das Leben an unsere Hunde stellt, sind deutlich gestiegen. Nicht alle können diese Ansprüche erfüllen. Und Angst und Aggression sind häufig gezeigte, normale hundliche Emotionen, die aufgrund der Besiedlungsdichte zu großen Problemen führen können. Wie schön wäre es darum, einen Beitrag zu leisten und das Zusammenleben für Menschen und ihre Hunde harmonischer zu gestalten? Diese und noch mehr aufrichtige und grundanständige Begründungen höre ich, wenn ich nach der Entstehung des Berufswunsches frage.
Willkommen in der Realität
Wenn die heutigen Hürden von Ausbildung, Zertifizierung und Genehmigungen genommen sind, kann es losgehen mit dem Traumjob. Oder? Nun ja, nicht überall sind Hundetrainer*innen gern gesehen. Je nach Region und Bundesland stellt sich die Frage: Wohin mit den Kunden? Als Berufseinsteiger*in einen Hundeplatz zu finden, geschweige denn einen Raum oder eine Halle, gestaltet sich schwierig. Wo man etwas angeboten bekommt oder etwas findet, darf man oft nicht arbeiten. Wo man dürfte, findet man nichts oder kann es schlichtweg nicht bezahlen. Es ist nicht besonders gut für das Geschäft, die vierte Hundeschule im selben Ort zu eröffnen.
Die Suche nach Grundstücken oder Gebäuden kann nervenaufreibend, frustrierend und ermüdend sein. Ein neuer Plan muss her – wie wäre es mit einem mobilen Arbeitsplatz? Schnell entsteht mit ein paar Einzelkunden (Hausbesuche) auch der Wunsch, einen Social Walk, ein Begegnungstraining oder eine gemeinsame Gruppenstunde zu veranstalten. Während Sie als Privatperson viele Wälder und Parks kostenfrei zur Erholung nutzen dürfen, sieht es für kommerzielle Hundeschulen oft anders aus. Verbote, Auflagen, Genehmigungen, wohin das Auge reicht. Es fühlt sich unfair und ungerecht an, dass in einem Landkreis geht, was im nächsten strengstens untersagt ist. So sieht man nicht selten Kolleginnen dort arbeiten, wo es einem selbst versagt bleibt. Hundetrainer*innen sind zäh, das Angebot wird umgestrickt und eigene Wünsche hintangestellt, Hauptsache, es geht erst einmal los mit dem Traumjob.
Jetzt aber!
Die Homepage steht, die Flyer sind gedruckt und verteilt, Freunde und Familie machen Werbung und auf Social Media wird Content produziert, was das Zeug hält. Endlich kommen die ersten Anfragen und Aufträge ins Haus. Nachdem die Nachrichten und Telefonate herausgefiltert wurden, die unsinnig, unseriös oder unlösbar sind („Können Sie über Nacht bleiben, damit Sie selbst sehen, wie sich Skippo um drei Uhr nachts in meinem Schlafzimmer/Bett verhält?“, „Können Sie meine Hunde für vier Wochen aufnehmen? Ich habe einen Urlaub gebucht, und, ach ja, John-Boy hasst alle Menschen, und Gisela ist nicht stubenrein. Das können Sie dann trainieren.“), bleiben noch genug neue Kunden übrig, um endlich mit der Arbeit zu beginnen. Ich schwöre es Ihnen, das kann so befriedigend sein! Hunde, die gern kommen und ungern gehen, Menschen, die dankbar für Hilfestellungen sind, euphorische Rückmeldungen, Erfolgserlebnisse und verbesserte Lebensqualität bei Mensch und Hund. Nicht selten öffnet man sein E-Mail-Postfach und bekommt Feedback, das runtergeht wie Öl. Selbst gekochte Marmelade und Kekse werden als kleine Aufmerksamkeit mitgebracht und es folgen Empfehlungen an andere Hundehalter*innen, die Gold wert sind. In genau diesem Stadium ist das der beste Beruf auf der ganzen Welt!
Ein bisschen Zeit muss eingeplant werden, damit das Geschäft sich etabliert und eine feste Größe in der Umkreissuche wird. Konzepte werden umgestellt, und nicht selten stellt man fest, dass man sich in bestimmten Arbeitsbereichen spezialisieren will. Die Kunden kommen, der Laden brummt.
Sei vorsichtig, was du dir wünschst!
Die Anfangseuphorie ist vorbei, der Alltag hält Einzug. Der Blick auf Wetterapp und Regenradar wird zur Gewohnheit. Es gibt eine Handvoll perfekter Tage, dazwischen ist es zu heiß, zu stürmisch, zu kalt, es gewittert, die Straßen vereisen, es wird zu früh dunkel und zu spät hell. Wochenlanger Dauerregen wird plötzlich existenzbedrohend, ebenso wie längere Erkrankungen. Zwei Wochen Urlaub müssen mit doppelt so viel Arbeitszeit eingearbeitet werden. Hundetrainer*innen arbeiten, wenn andere frei haben. Das Geschäft läuft am besten an Wochenenden, Feiertagen und wenn andere Menschen Feierabend haben. In den Zeiten, in denen niemand trainieren kann oder will, beantworten wir E-Mails und private Nachrichten, hinterlassen Nachrichten auf dem Anrufbeantworter, führen die Bücher, überweisen die Steuer, lesen Fachliteratur, pflegen die Homepage, bilden uns fort, zahlen Rechnungen, entwickeln Konzepte, Kurse und Vorträge, gestalten Handouts, kontrollieren Hausaufgaben und bereiten Stunden vor oder nach. Wir pflegen die Kundendatei, schließen Verträge, kaufen Zubehör, erstellen Content, beschäftigen die eigenen Hunde und versorgen die Familie. Plötzlich sind 30 Stunden Unterricht unrealistisch, weil mehr als das Doppelte an administrativen Aufgaben auf uns wartet. Dazu kommt der Druck, Alleinstellungsmerkmale entwickeln zu müssen, damit man sich von der Masse abhebt. Zweifel und Angst, nicht gut genug zu sein, nicht alles zu wissen, nicht allen helfen zu können, gehen oft Hand in Hand mit Kunden, die nicht zufriedenzustellen sind, mit einer legeren Zahlungsmoral und mit Problemfällen, die uns überfordern. Dazu kommen Existenzängste, Überarbeitung, fehlende Freizeit, Konkurrenzkampf, Freunde, die man nicht mehr sieht. Der Markt fordert die immer gleichen Kurse und Inhalte. Für das, was uns Spaß machen würde, gibt es nicht genügend Interessenten oder es lohnt sich wirtschaftlich nicht.
Selten ist ein Berufseinsteiger darauf eingestellt, mit wie vielen menschlichen Problemen ein Trainer konfrontiert werden kann. Plötzlich erscheint ein Psychologie- und Kommunikationswissenschaftsstudium durchaus sinnvoll zu sein, um der Vielzahl an unterschiedlichen Erwartungen und Problemen der Kundschaft gerecht werden zu können. Dabei sind eben diese Punkte in vielen Ausbildungen kaum oder gar nicht enthalten. Plötzlich wird klar: Wir haben mit Menschen zu tun, die uns buchen und bezahlen, und mit Menschen, die wir erreichen müssen, damit wir den Hunden helfen können. (…)
Dies ist nur eine Leseprobe aus der SPF Sonderausgabe Hundeschule. Den vollständigen Artikel findest du im Heft! Bestellbar als Einzelheft unter www.cadmos.de