Blick ins Buch: Praktische Ausbildung für Pferd und Hund

Von Katharina Möller und Madeleine Franck

+++ LESEPROBE +++

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Wir beginnen direkt mit einem Geständnis: Panda, die Border-Collie-Hündin auf unserem Cover, ist im wahren Leben gar kein Reitbegleithund. Sie hat Madeleine exakt einmal auf einen Ausritt begleitet, bevor wir uns zum Fotoshooting für dieses Buch getroffen haben. Und genau deshalb ist sie das perfekte Model für unsere Inhalte. Denn wir sind überzeugt davon, dass der letzte Schritt zum Reiten mit Hund nur ein Klacks ist, wenn die Vorbereitung stimmt.

Panda ist zum einen absolut entspannt, gut sozialisiert und erzogen, zum anderen haben wir die Situation entsprechend organisiert. Wenn Ihr Hund diese Eigenschaften ebenfalls mitbringt, umso besser! Falls nicht, finden Sie nachfolgend ein wenig Hintergrundwissen, das Ihnen helfen wird, sein Verhalten nicht nur besser einzuschätzen, sondern auch erfolgreich in die gewünschte Richtung zu verändern. Aber auch allen anderen Lesern möchten wir empfehlen, das Buch von Anfang bis Ende zu lesen. Wissen schafft die Basis für Verständnis und ermöglicht so, vorausschauend zu handeln und Risiken im Umgang mit Hund und Pferd zu minimieren.

Für Taranis, den Cover-Knabstrupper, gilt das Gleiche wie für Panda. Gelassenheit, Sicherheit in allen Umweltsituationen und eine gute Erziehung spiegeln sich in seiner entspannten Ausstrahlung wider. Eine fundierte reiterliche Grundausbildung für Mensch und Pferd gehört zur weiteren Vorbereitung, die das Reiten mit Hund stressfrei und selbstverständlich werden lässt. Die vielen Praxisübungen in diesem Buch sollen Ihnen dabei helfen, eine gute Einschätzung für Ihr eigenes Können und für das Ihres Pferdes zu entwickeln und mögliche Schwächen auszugleichen.

Wir hoffen, dass Sie beim Umsetzen unserer Anregungen viel Freude gemeinsam mit Ihrem Hund und Ihrem Pferd haben!

 

Grundsätzliches zum Hund

Über Hunde geistern noch immer Vorstellungen in unseren Köpfen herum, die aus wissenschaftlicher Sicht längst der Vergangenheit angehören. Es fällt jedoch schwer, sich dem Mainstream der Ratgeber und TV-Trainer zu entziehen. Und so glauben leider viele Hundebesitzer nach wie vor, sie müssten für ihren Vierbeiner den Rudelchef spielen und ihm demonstrieren, dass sie in der Rangordnung über ihm stehen. Gibt es Probleme im Zusammenleben, werden diese oft mit mangelnder Führung erklärt – dazu kommt die Ansicht, dass immer der Mensch schuld am „Fehlverhalten“ des Hundes ist. Im Umkehrschluss soll dann die Erziehung wie von Zauberhand funktionieren, wenn der Hund nur seine Grenzen kennt.

Glücklicherweise wissen wir inzwischen, dass Hunde ganz anders ticken. Während vordergründig „Fehlverhalten“ gezeigt wird und die Anweisungen des Menschen „missachtet“ werden, spielen sich innere Vorgänge ab, die oft völlig anders motiviert sind, als Menschen glauben. Das Verhalten der Hunde wird nicht vom Streben nach der Spitze der Rangordnung bestimmt, sondern vor allem von ihren Emotionen. Dominanz ist keine überdauernde, sondern eine situative Eigenschaft und noch dazu keine sehr passende, um Hunde zu charakterisieren. Und doch wirkt die sogenannte Dominanztheorie wie eine Brille, die unsere Sicht auf das Verhalten von Hunden einfärbt. Legen Sie diese Brille einmal beiseite und wagen Sie einen unvoreingenommenen Blick.

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Training und Organisation

Verhalten lässt sich durch positives Training beeinflussen, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Oft konkurrieren unsere Belohnungen von außen (Lob, Futter, Spiel …) mit dem Belohnungseffekt, den ein bestimmtes Verhalten im Inneren des Hundes erzeugt. Daher sollten wir immer die Emotionen des Hundes berücksichtigen und positive Verstärkung in Kombination mit geschickter Organisation einsetzen.

 

Emotionales Lernen verstehen

Obwohl wir davon sprechen, etwas „von Herzen“ zu fühlen, entstehen unsere Emotionen eigentlich im Gehirn. Es gibt eine Reihe von Basisemotionen, die wir mit vielen anderen Lebewesen teilen. So empfinden Hunde genau wie wir Freude, Angst, Überraschung, Trauer, Wut und Ekel. Während diese Feststellung für den Laien nicht sehr spektakulär klingt, ist sie es doch für die Wissenschaft. Denn bis heute gibt es Wissenschaftler, die Tieren die Fähigkeit zu fühlen absprechen. Glücklicherweise zeigen uns neurowissenschaftliche Erkenntnisse jedoch, dass die Wurzel des Fühlens tief in dem „alten“ Teil des Gehirns verankert ist, der sich bei allen Säugetieren findet. So führen zum Beispiel Verletzungen bestimmter Hirnregionen zu den gleichen emotionalen Ausfällen bei Tier und Mensch. Inzwischen lassen sich außerdem Gehirnfunktionen nicht nur durch Elektrostimulation, sondern auch mittels moderner bildgebender Verfahren wie der Kernspintomographie lokalisieren. Auch welche Botenstoffe an der Entstehung von Gefühlen beteiligt sind, ist messbar.

Gefühle haben einen großen biologischen Nutzen. Man kann sie sich gut als Motor hinter dem Verhalten des Hundes vorstellen, denn sie helfen ihm dabei, angemessen auf Reize in seiner Umwelt zu reagieren. Vereinfacht lässt sich sagen: Hunde orientieren sich zu positiven Reizen hin und von negativen Reizen weg.

Nimmt der Hund einen Reiz wahr, erfolgt automatisch eine emotionale Bewertung. Er fragt sich zum Beispiel beim Anblick eines rennenden Pferdes nicht bewusst „Welche Bedeutung hat das für mich?“, sondern es entsteht ein positives, negatives oder neutrales Gefühl in seinem Körper. Durch die bereits angesprochenen Botenstoffe, deren Ausschüttung vom Gehirn gesteuert wird, ist mit jedem Gefühl eine unterschiedlich starke körperliche Erregung verknüpft. In Bezug auf den Hund ist es vor allem die Stärke der Erregung, die über sein zukünftiges Verhalten entscheidet. Je niedriger die Erregung, desto eher ist der Hund in der Lage, eine bewusste Verhaltensreaktion zu zeigen. Je höher die Erregung jedoch steigt, desto unbewusster wird sein Verhalten. Bei eher geringer Erregung befindet sich daher „alles im grünen Bereich“, ist das Gegenteil der Fall, könnten wir sagen, dass der Hund „rot sieht“.

Grundsätzlich ist es egal, ob die Erregung mit einem positiven oder einem negativen Gefühl gekoppelt ist – je höher sie steigt, desto eher wird der Hund instinktiv reagieren. Und nun entsteht ein Kreislauf: Jede Verhaltensreaktion des Hundes hat eine Konsequenz, die über eine Rückkopplung mit dem ursprünglichen Reiz verbunden wird. Und so wird im Laufe der Zeit durch Wiederholungen das positive oder negative Gefühl, das der Hund beim erneuten Wahrnehmen des Reizes empfindet, immer stärker. Konsequenzen sind in diesem Zusammenhang nicht etwa nur Dinge von außen wie Belohnungen oder Strafen, die wir kontrollieren könnten. Die für das Lernen wichtigen Konsequenzen sind vor allem die neurochemischen Vorgänge im Hundekörper, die dessen Gefühlsleben steuern.

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Beispiel: Ein junger Hund begleitet sein Frauchen das erste Mal zum Reitstall und erlebt, wie die Pferde auf der Weide zufällig gerade herumtoben und weggaloppieren. Der Reiz „rennende Pferde“ wird eine positive Emotion auslösen, der Grad der Erregung kann dabei ganz unterschiedlich ausfallen. Hunde reagieren grundsätzlich mit positivem Interesse auf Bewegungsreize. Das liegt daran, dass sie an dieser Stelle ihre genetische Verwandtschaft zum Wolf nicht verleugnen können: Ein guter Jäger muss möglichst schnell auf fliehende Tiere reagieren, um sie zu fangen. Hat der Hund nun die Chance, hinter den Pferden her zu rennen (Verhaltensreaktion), wird er schnell merken, wie viel Spaß (Konsequenz) das macht. Über die Rückkopplung wird die positive Erregung beim Anblick von rennenden Pferden mit jeder neuen Begegnung ansteigen.

Aber auch, wenn der Junghund nicht einmal hinterherrennt, sondern „nur“ angeleint das Schauspiel verfolgt, kommt leicht die Erregung in seinem Körper in Gang. Er wird vielleicht auf die Idee kommen zu kläffen und in die Leine zu springen, was ihm ebenfalls positive Gefühle beschert, weil er seinem ureigenen Drang nachgeht, in Richtung des Bewegungsreizes zu springen. In diesem Buch wollen wir Ihnen zeigen, wie Sie mit Ihrem Hund ein alternatives Verhalten trainieren können, bei dem er sich „gut fühlen“ darf, ohne dass er dem Bewegungsreiz nachsetzt.

 

 Verhaltensentwicklung beeinflussen

Das Beispiel zeigt, wie der Kreislauf des emotionalen Lernens abläuft, wenn der Mensch keinen Einfluss nimmt. Oft können wir nur erahnen, welche Konsequenzen ein Verhalten für den Hund hat, da sie sich in seinem Körper abspielen. Jeder informierte Hundebesitzer kennt den Begriff „selbstbelohnend“ in Zusammenhang mit Jagen und Hetzen. Hatte ein Hund ein paar Mal die Gelegenheit, flüchtenden Kaninchen hinterher zu hetzen, wird er sich irgendwann bei deren Anblick kaum mehr kontrollieren können. Dabei geht es ihm nicht um die vermeintliche Beute, also um das Fangen und Fressen des Kaninchens. Nein, die Ausschüttung der entsprechenden Botenstoffe während des Hinterherrennens lässt ihn bereits ein so großes Glücksgefühl erleben, dass keine weitere Belohnung nötig ist, um das Hetzen zu lernen.

Sich die Bedeutung des internen Belohnungssystems bewusst zu machen, ist bei der Vorbeugung von Problemverhalten ungemein wichtig. Ein Hund mit einem Kaninchenjagdproblem kann schlecht beim Geländeritt frei am Pferd mitlaufen. Ein Hund, der beim Anblick eines rennenden Pferdes ins Hetzen fällt, wäre noch in vielen anderen Situationen eine echte Gefahr. Umso wichtiger ist es, dafür zu sorgen, dass der Hund mit diesem Reiz eine gänzlich andere Verknüpfung herstellt, nämlich braves und ruhiges Verhalten.

Um dies zu erreichen, sind drei Faktoren zu berücksichtigen: Mittels der entsprechenden Organisation sollte der Mensch verhindern, dass der Hund überhaupt die Gelegenheit hat, Spaß an unerwünschten Verhaltensweisen zu finden. Mittels positiver Verstärkung bringt man ihm bei, dass es sich lohnt, brav zu sein. Und mit einem Blick auf das gesamte Wohlfühlbudget des Hundes sollte der Besitzer sicherstellen, dass der Hund mit erwünschten Verhaltensweisen die Möglichkeit hat, alle seine Bedürfnisse ausreichend zu befriedigen. Er sollte es also nicht nötig haben, sich seinen Spaß zum Beispiel beim Jagen zu suchen.

 

Wohlfühlbudget

Versuchen Sie einmal einzuschätzen, wie sich Ihr Hund im Alltag fühlt: Ist er emotional ausgeglichen? Bekommt er alles, was er braucht? Damit es ihm wirklich gut geht, müssen zuallererst seine Grundbedürfnisse, aber zusätzlich auch seine ganz speziellen Vorlieben erfüllt sein. Er braucht gutes Futter, am besten verteilt auf zwei Mahlzeiten am Tag, selbstverständlich immer genügend Wasser und ausreichend Schlaf. Er braucht soziale Kontakte, Aufmerksamkeit und Zuwendung von Ihnen, Bewegung, Beschäftigung und die Möglichkeit zu kauen. Weitere Bedürfnisse ergeben sich meist aus rassetypischen Eigenschaften, denn Hunde brauchen die Gelegenheit, etwas zu tun, was der Aufgabe nahekommt, für die sie gezüchtet wurden. Aber auch individuelle Eigenarten und Gewohnheiten wirken sich aufs Wohlfühlbudget aus. Ist der Hund es gewohnt, im Bett zu schlafen, wird ihm etwas fehlen, wenn er das plötzlich nicht mehr darf. Liebt er es ganz besonders, in jedes Wasser zu hopsen und schwimmen zu gehen, wird er wahrscheinlich im Sommer viel mehr Highlights erleben, als im Winter.

Neben der Erfüllung seiner Grundbedürfnisse sind es diese Highlights, die das Leben schön und befriedigend machen. Aber genau wie wir nicht jeden Tag in den Vergnügungspark fahren müssen, um ausgeglichen zu sein, braucht auch ein Hund nicht jeden Tag den Schwimmausflug zum See. Als Maß hat sich der Blick auf eine gesamte Woche bewährt – über diesen Zeitraum sollten sich langweilige, vielleicht auch mal stressige, und besonders positive Erlebnisse die Waage halten.

Um von Ihrem Hund gutes Benehmen und Selbstkontrolle im Reitstall erwarten zu können, muss es ihm gut gehen. Treten Probleme auf, sollten Sie daher sein Wohlfühlbudget kritisch unter die Lupe nehmen und prüfen, ob Sie es verbessern können.

 

An dieser Stelle sei ausdrücklich erwähnt, dass es in der Regel nicht funktioniert, unerwünschtes Verhalten des Hundes durch Ignorieren wegzutrainieren. Diese Empfehlung wird von positiv arbeitenden Trainern gerne als Alternative zum Strafen empfohlen. Lerntheoretisch macht das vielleicht Sinn, denn ein Verhalten, das nicht belohnt wird, stirbt irgendwann aus. Lernpraktisch nimmt jedoch Ignorieren dem Verhalten höchst selten die Belohnung, denn das würde voraussetzen, dass unsere Aufmerksamkeit der einzige Verstärker dafür ist. Wie inzwischen klar sein dürfte, wirken die Gefühle im Hundekörper auch für sich allein belohnend. Ein klassisches Beispiel für dieses Prinzip ist das sogenannte „aufmerksamkeitsfordernde Bellen“, das der Mensch nach der Lerntheorie selbstverständlich ignorieren muss, damit der Hund keinen Erfolg damit hat. Aber wie sinnvoll ist das wirklich? Die Praxis zeigt: Lässt man den Hund bellen, wird er mit der Zeit immer mehr Spaß daran finden. Für manche Rassen gilt nämlich, ähnlich wie beim Hetzen, dass es bereits eine genetisch verankerte Reiz-Emotions-Rektionsverknüpfung gibt: Sie werden seit Jahrhunderten darauf selektiert, dass sie gerne laut und ausdauernd bellen. In diesem Fall wird der Kreislauf des emotionalen Lernens noch beschleunigt. Australian Shepherds zum Beispiel sollen beim Arbeiten kläffen, kein Wunder, dass es sich für sie gut anfühlt. Wer deren Bellen ignoriert, schafft also die idealen Bedingungen dafür, dass dieses Verhalten erst recht gelernt wird. Im Idealfall sorgen Sie deshalb vorbeugend dafür, dass der Hund keinen Grund zum Kläffen hat. Tut er es doch, unterbrechen Sie es sofort, indem Sie zum Beispiel ein paar Leckerchen ins Gras werfen. Keine Angst, Sie belohnen nun nicht das Kläffen, sondern Sie verhindern, dass Ihr Hund sich dieses Verhalten angewöhnt.

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Wann, wie, warum managen?

Mit „managen“ meinen wir, Situationen im Umgang mit dem Hund (und dem Pferd) bewusst zu organisieren, statt dem Schicksal seinen Lauf zu lassen. Die Frage nach dem „Warum“ ist bereits geklärt: Die Gefahr, dass der Hund ohne entsprechendes Management etwas Unerwünschtes lernt, ist einfach zu groß. Dies gilt, wenn es darum geht, Problemen vorzubeugen, und noch mehr, wenn wir bereits bestehendes Problemverhalten in den Griff bekommen wollen. Hat der Hund schon irgendeinen Mist gelernt, ist es wichtig, den Verstärker zu finden, der dieses Verhalten aufrechterhält. Um diesen Verstärker zu entfernen, ist es sehr oft nötig, das Verhalten komplett zu verhindern. Denn in der Regel ist der wichtigste Verstärker der gerade beschriebene Selbstbelohnungseffekt, also das Wohlgefühl, das der Hund während des Verhaltens erlebt.

Wir gestalten also im Idealfall alle Situationen so, dass der Hund sich nur erwünscht verhalten kann. Wie das geht? Oft ist Management einfacher als gedacht. Eine Leine am Hund verhindert, dass er der Stallkatze hinterherrennt, sich im Mist wälzt, unter die Hufe gerät, Pferdeäpfel frisst und so weiter. Hat man keine Zeit, das andere Ende der Leine selbst festzuhalten, verhindert ein mit Leckereien gefüllter Kong® oder ein beliebter Kauartikel, dass der angebundene Hund sich langweilt und unruhig wird und sich dabei zum Beispiel unerwünschtes Kläffen manifestiert. Alternativ ist eine Hundebox eine große Hilfe, um den Hund sicher zu „parken“ – wobei sowohl das angebundene Warten als auch das Bleiben in der Box selbstverständlich vorab geübt werden sollten. Viele Hunde fühlen sich auch im Auto ausgesprochen wohl und sind dort viel besser aufgehoben, als wenn sie unbeaufsichtigt auf einem Hof herumlaufen. Halten Sie Abstand zu Reizen, die Ihren Hund aufregen, verhindern Sie unschöne Begegnungen, schaffen Sie wenn nötig Sichtbarrieren. Wie das in der Praxis ablaufen kann, erläutern wir später im Kapitel „Organisation im Reitstall“.

Organisatorische Mittel kommen also einerseits immer dann zum Einsatz, wenn wir gerade nicht die Möglichkeit haben, auf den Hund aufzupassen und zu beeinflussen, was er lernt. Sie schaffen damit die Voraussetzung, um zu einem anderen Zeitpunkt am erwünschten Verhalten trainieren zu können. Auf der anderen Seite hilft die Organisation dem Hund in einer Situation, die verschiedene Verhaltensoptionen bieten würde, sich für das „richtige“ Verhalten zu entscheiden. Management ist unaufwendig, schont Ihre Nerven und kann in manchen Fällen sogar das Training komplett ersetzen: Überlegen Sie doch mal, welche Situationen sich dauerhaft managen statt trainieren lassen. Der Alltag mit Hund ist voller größerer und kleinerer Baustellen, die Sie niemals alle gleichzeitig bearbeiten können. Wählen Sie gezielt aus, worauf Sie Ihre Zeit und Energie verwenden.

 

Arbeit mit Belohnungen und Markern

Die zweite Säule, auf die sich der Trainingserfolg neben der Organisation stützt, ist die positive Verstärkung. Verhalten, das sich für den Hund lohnt, wird schnell gelernt und gerne wiederholt. Die Belohnungen, die zum Einsatz kommen, können vielfältig sein und haben unterschiedliche Wirkung.

Ihre Freude, wenn Sie den Hund mit hoher Stimme begeistert loben, wird ihn anstecken und aufdrehen lassen. Ebenso gut können Sie ihn jedoch mit in tieferer Stimmlange gesprochenen Lobworten beruhigen. Ihre Anerkennung wird Ihrem Hund in jedem Fall wichtig sein – loben Sie daher immer großzügig und versuchen Sie, Ihren Fokus stets auf all die vielen Dinge zu richten, die er toll macht! Viele Hundebesitzer tendieren dazu, nur zu sehen, was alles noch nicht klappt, und ärgern sich über die Fehler, die ihr Hund vielleicht macht. Verhindern Sie die Fehler wie schon beschrieben durch gezieltes Management und belohnen Sie erwünschtes Verhalten mit voller Wertschätzung und dem Einsatz zusätzlicher Verstärker.

Futterbelohnungen sind relativ einfach zu handhaben, denn jeder Hund muss fressen und der Mensch muss ihn sowieso füttern. Daher kann man problemlos einen Teil seiner täglichen Futterration als Belohnung abzweigen und aus der Hand statt aus dem Napf verfüttern. Je schwieriger eine Situation für den Hund ist, desto hochwertiger sollten jedoch die Leckerchen werden. Statt einfachem Trockenfutter können dann zum Beispiel kleine Fleisch- oder Käsestückchen, Hundeleberwurst oder eine selbst angerührte, besonders leckere Mischung aus der Futtertube zum Einsatz kommen. Fressen hat grundsätzlich eine beruhigende Wirkung auf den Hund. Speziell Kauen und Lecken helfen dabei, Erregung abzubauen.

Spielbelohnung wirkt dagegen eher aufputschend, kann jedoch auch ein gutes Ventil für aufgestaute Erregung sein, die sich ansonsten an anderer Stelle ihre Bahn brechen würde. Wichtig ist hierbei, dass der Hund bestimmte Spielregeln lernt und nicht unkontrolliert in jedes sich bewegende Spielzeug beißt oder hinter jedem fliegenden Ball herrennt.

Sie können auch Verhaltensweisen, die Ihrem Hund Spaß machen, als sogenannte funktionale Verstärker einsetzen, wobei Ihr Hund durch die körpereigenen Botenstoffe belohnt wird. Viele Hunde buddeln zum Beispiel gerne und freuen sich darüber, dieser Leidenschaft mit Ihrer Erlaubnis nachgehen zu dürfen. Um das Buddeln als Belohnung zu nutzen, müssen Sie es jedoch einerseits im Alltag einschränken, damit das Buddelbedürfnis des Hundes nicht sowieso schon erfüllt ist. Andererseits muss es tatsächlich unter Ihrer Signalkontrolle stehen, das heißt, Sie müssen es auf ein Wortsignal hin abrufen können. Ganz streng genommen sind manche funktionalen Verstärker daher lerntheoretisch keine positiven, sondern negative Verstärker, denn Sie müssen Ihr „Buddelverbot“ aufheben, um das Buddeln als Verstärker zu nutzen.

Ein wichtiges Detail beim Einsatz von Belohnungen ist der Unterschied von Belohnung und Bestechung. Manche Hundebesitzer haben zum Beispiel Vorbehalte dagegen, mit Leckerchen zu trainieren, weil sie glauben, dass der Hund dann nur noch gehorcht, wenn man zuvor mit der Leckerchentüte wedelt. Tatsächlich gibt es dieses Szenario oft genug zu beobachten, dann ist allerdings beim Training etwas gründlich schief gegangen. Ja, es ist Bestechung, wenn man dem Hund immer zuerst zeigen muss, dass Futter auf ihn wartet. Aber nur, weil etwas schief gehen kann, wenn man mit Leckerchen arbeitet, ist das kein Grund dafür, sie gar nicht einzusetzen. Es ist nur ein guter Anreiz, es lieber richtig zu machen und den Hund nach einem gezeigten Verhalten zu belohnen, statt ihn vorher dazu zu verführen. Wobei man an dieser Stelle differenzieren muss: Mit Futter zu locken ist am Anfang eines Lernprozesses eine gute Möglichkeit, um ein neues Verhalten zu initiieren. Man lockt es im wahrsten Sinne des Wortes hervor, um es dann belohnen zu können. Wichtig ist jedoch, dass man sehr schnell den Absprung schafft und das Locken entweder schrittweise ausschleicht oder nach ein paar Wiederholungen komplett weglässt und nur noch für eigeninitiativ gezeigtes Verhalten des Hundes belohnt.

Gerade Pferdebesitzer haben oftmals Vorbehalte gegen den Futtereinsatz, weil ein dauerbettelndes, Taschen durchsuchendes oder schnappendes Pferd als perfektes Negativbeispiel für die Folgen des Trainings mit Leckerchen herhalten muss. Ein dauerbettelnder, Taschen durchsuchender oder schnappender Hund ist nicht weniger nervig. Bei beiden ließe sich das unerwünschte Verhalten jedoch mit ein wenig Selbstkontrolltraining beim Anblick eines Leckerchens und dem entsprechenden Futterhandling verhindern.

 

Futterkontrolle

Vermitteln Sie Ihrem Hund (und Ihrem Pferd), dass seine Chance auf ein Stück Futter größer ist, wenn er sich zusammenreißt und darauf wartet, dass Sie das Futter liefern. Ein gutes Übungsspiel hierfür ist das „It’s-your-choice“-Spiel der kanadischen Trainerin Susan Garrett. Es ist einfach, aber genial. Nehmen Sie dazu einige Leckerchen in Ihre Hand, setzen Sie sich zum Hund auf den Boden und legen Sie die Hand mit dem Futter offen auf Ihr Bein. Versucht der Hund, das Futter zu klauen, schließen Sie schnell die Hand. Lassen Sie sie so lange geschlossen, wie der Hund, vielleicht durch Lecken oder Knabbern, versucht, an das Futter zu gelangen. Sobald er von Ihrer Hand ablässt, öffnen Sie sie wieder, startet er einen neuen Versuch, sich das Futter zu schnappen, geht die Hand wieder zu und so weiter.

Achtung: Sagen Sie nicht „Nein“ oder etwas Ähnliches, um dem Hund zu verbieten, an die Hand zu gehen. Seien Sie einfach ganz still und lassen Sie ihn seine eigenen Erfahrungen machen und Entscheidungen treffen. Es geht nicht darum, ihm das falsche Verhalten zu verbieten, sondern darum, ihm das erwünschte Verhalten beizubringen.

Hat der Hund verstanden, dass er mit aufdringlichem Verhalten nicht an die Leckerchen herankommt und hält er brav Abstand, nehmen Sie mit Ihrer anderen Hand ein Leckerchen aus der Futterhand heraus und reichen es dem Hund ins Maul. Belohnen Sie ihn auf diese Art weiter, solange er keinen Rückfall in sein Bedrängen zeigt, bis die Leckerchen alle sind. Je schneller Sie jeweils die Hand schließen und wieder öffnen, desto schneller wird auch der Hund das Prinzip verstehen. Viele Hunde setzen sich extra ein Stück nach hinten und wenden sogar den Kopf ein wenig ab, wenn die Hand zugeht, um deutlich zu zeigen, dass sie sich zusammenreißen.

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Ein wichtiges Element des effektiven positiven Trainings ist der Einsatz des Clickers oder eines Markerworts. Da man im Umgang mit Hund und Pferd oft beide Hände braucht, lässt sich ein gut konditioniertes Markerwort, in vielen Situationen einfacher nutzen. Wir sprechen im Folgenden sowohl von „clicken“ als auch von „markern“, ob Sie dafür jeweils einen Clicker oder ein Wort verwenden, ist völlig unerheblich und bleibt selbstverständlich Ihnen überlassen.

In der Hunde- und Pferdewelt spielt Clickertraining zurzeit eine deutlich unterschiedliche Rolle. Während man vor 15 Jahren noch fast jedem Hundebesitzer erst erklären musste, was ein Clicker überhaupt ist, hat sich das Training mit dem kleinen Knackfrosch inzwischen nicht nur etabliert, sondern deutlich weiterentwickelt. Profis im Hundesport arbeiten heute selbstverständlich mit dem Clicker, aber auch „normale“ Hundebesitzer trainieren damit Alltagsübungen und Tricks. In der Anfangszeit wurde Clickertraining häufig mit Tricktraining in Verbindung gebracht und ausschließlich im Sinne von Shaping, also dem freien Formen von Verhaltensweisen, eingesetzt. Der Clicker lässt sich jedoch auch sehr gut in Kombination mit Locken oder mit anderen Techniken wie dem Modellieren, eine Art „Schönfüttern“ von Situationen, und vor allem in der Verhaltenstherapie einsetzen. Mithilfe des Clickers schafft man nämlich einen direkten Zugang zu den Emotionen des Hundes und kann sie ganz gezielt beeinflussen. Im Körper eines Hundes, der gut auf das Clickgeräusch konditioniert ist, löst jeder Click die Ausschüttung von Dopamin aus, das gerne als „Glückshormon“ bezeichnet wird. Das Geräusch hat außerdem eine motivationssteigerde Wirkung, was erklärt, warum Hunde mit besonders viel Begeisterung lernen, wenn sie mit einem Click bestätigt werden. Mit einem Clicker oder einem Markerwort zu trainieren, bedeutet, das richtige Verhalten des Hundes im richtigen Moment markieren zu können. Und in genau diesem Moment wird der Hund sich freuen, sich erfolgreich, erleichtert und gut fühlen. Die Botenstoffe des körperinternen Belohnungssystems beeinflussen das Verhalten des Hundes viel stärker, als ein einfaches Leckerchen es von außen je könnte.

Ein Hund, der sich gerade freut, kann nicht gleichzeitig Angst oder Wut empfinden. Damit wird der Clicker oder das Markerwort zu einem wichtigen Hilfsmittel, um die Reiz-Reaktionsverknüpfung mit potenziell beängstigenden oder auch aggressionsauslösenden Dingen, Tieren oder ganz allgemein Situationen schönzufärben. Man kann damit vorbeugend eine Art positiven Emotionspuffer aufbauen oder auch bei bestehenden Problemen mittels Click-für-Blick den Anblick des „bösen“ Reizes gegenkonditionieren. Gleichzeitig verhilft diese Form des Trainings dem Hund dazu, ganz bewusste Entscheidungen zu treffen, um mit dem richtigen Verhalten den Click auszulösen. Dadurch bleibt seine Erregung auch in schwierigen Situationen eher unter Kontrolle. Wir empfehlen daher den Einsatz eines Clickers oder Markerworts für nahezu alle Lebenslagen mit Hund. Auch wenn man sich aus reiterlicher Sicht entscheidet, dieses Hilfsmittel fürs Pferd nicht zu nutzen, ist es für den Hund trotzdem sinnvoll.

Katharina kennt als professionelle Pferdeausbilderin reichlich Gründe, wie und warum man in der klassischen Reiterei keinen Clicker benötigt und viele Wege, wie man auf andere Weise bestärken kann. Sie kennt aber durch die Arbeit mit Hunden (die sich nun mal vom Reiten deutlich unterscheidet) auchzahllose Beispiele dafür, wieso es in der Praxis mit Hunden sehr sinnvoll ist, zu markern und mit Futter zu belohnen. Als Tierbesitzer müssen Sie sich unserer Meinung nach nicht ausschließlich für eine Methode entscheiden und alles andere über Bord werfen, sondern individuell herausfinden, nach welchem Konzept Sie Ihren Hund und Ihr Pferd positiv ausbilden, sodass es für Ihr Leben praktisch anwendbar ist. Reiten Sie nicht auf Prinzipien, reiten Sie Ihr Pferd!

+++ LESEPROBE ENDE +++

 

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