Stellungnahmen zum Thema Schutzhundesport

Pro und Contra Schutzdienst

von Thomas Baumann

Der Schutzhundesport hat nicht nur Tradition. Er ist in der Tat nach persönlicher Überzeugung ein erhaltenswertes Kulturgut, dem keiner einfach so den Garaus machen sollte. Doch dabei kommen wir nicht daran vorbei, die Feststellung zu treffen, dass Schutzhundesport nicht gleich Schutzhundesport ist.
Da gibt es leider noch die Traditionalisten, für die der Schutzhundesport früher wie heute eine besondere Form der persönlichen Profilierung darstellt.  Die Traditionalisten glauben nicht an das Sprichwort – Wachstum bedeutet Veränderung – denn sie sind kaum zu Veränderungen bereit. Sie konditionieren  heute noch wie vor 20 Jahren Gebrauchshunde mit extremen Zwängen, teilweise wüstem Geschrei und selbstverständlich Stachelhalsband und E-Gerät. Sie sehen den überwiegenden Nutzen ihres vierbeinigen Sozialpartners in dessen Funktionieren im Sinne einer Prüfungsordnung.
Bereits in der Fährte zwingt dabei der BLINDE (Hundeführer) den SEHENDEN (Hund) zu artwidrigem Suchverhalten, denn das bringt schließlich die höchsten Punktzahlen. Verlässt der Hund im Training die Fährte,  oder sucht er mit vermeintlich zu hoher Nase wird sehr schnell mit Zwängen „nachgeholfen“, um die Kriterien der Prüfungsordnung möglichst optimal zu erfüllen. In der Unterordnung wird leider  immer noch von vielen Leistungsrichtern die Perfektion am höchsten belohnt und deshalb steht technische Präzision klar vor  realer Arbeitsfreude.  Eigendynamik des Vierbeiners ist unerwünscht, denn die immer noch antiquarisch angestaubte Prüfungsordnung lässt das nur an sehr wenigen Stellen zu.

Und im Schutzdienst schließlich geht neben möglichst viel Trieb und hoher Belastbarkeit nichts ohne eine gehörige Portion Aggressionsverhalten. Das ist über Beute-Konditionierung nur sehr schwer möglich und deshalb muss ganz einfach noch der sogenannte Wehrtrieb  (sozialaggressiver Selbstschutz)  mit reinkonditioniert werden. Bei den Traditionalisten ist ganz einfach die Zeit stehen geblieben und dabei ist ihnen leider der Begriff Tierschutzrelevanz nicht im Geringsten geläufig. Sie sind ganz besonders dafür verantwortlich, dass die Akzeptanz des Schutzhundesportes in unserer Gesellschaft vergleichsweise gering ist.

Zu einer ganz anderen Einschätzung  kommt man, wenn man den Schutzhundesport derer sieht, die begriffen haben, dass diese Sportart in unserer Gesellschaft  nur dann überleben kann,  wenn sie außerhalb einer Tierschutzrelevanz und ohne Steigerung sozialaggressiver Verhaltensweisen konditioniert wird.  Und das bewusst vorgenommene Zufügen von Schmerzen  in Fährte, Unterordnung und Schutzdienst ist unbestreitbar tierschutzrelevant. Letztlich agieren die modern strukturierten Schutzhunde-Sportler auch  zum Wohl des Hundes, was ich den Traditionalisten unbedingt absprechen möchte.
Schutzhundesport, wie er heute sein sollte, muss, wie jede andere Hundesportart auch, die Bedürfnisse des Vierbeiners berücksichtigen. Dies unter Einbeziehung eines gesunden Blickes auf dessen Fähigkeiten und Grenzen. Arbeitsfreude, Nervenstärke und Belastbarkeit lässt sich bei den modern konditionierten Schutzhunden ganz sicher auch feststellen. Wer etwas anderes behauptet, dem muss ich seine Beurteilungsfähigkeit absprechen. Einem nervenschwachen Hund sehe ich beispielsweise einen Teil seiner Verhaltensprobleme schon an, wenn er aus dem Auto kommt und auf den Platz geführt wird.
Der moderne und akzeptable Schutzhundesport läuft in völlig anderen Konditionierungsebenen ab als bei den Traditionalisten. Sehr wohl dauert die Ausbildung deutlich länger, ist im Schutzdienst  ausschließlich beuteorientiert und enthält keinerlei soziale Aggressionsförderung (Wehrtrieb).
E-Gerät und Stachelhalsband sind kein Thema und dennoch können am Ende überzeugende Leistungen erwartet werden. Wenn Traditionalisten das sehen und lesen, steht für sie fest: „Softies (Hundeführer) konditionieren Weicheier (Hunde)“. Mehr lässt deren Tunnelblick leider nicht zu.

Noch ein paar wenige Anmerkungen zu Dr. Raisers Aussagen:

Bereits zu Beginn des Interviews weist Herr Dr. Raiser auf die Faszination der Arbeit mit einem hochqualifizierten Gebrauchshund hin. Und genau an dieser Stelle muss sich jeder die Frage zum persönlichen Blickwinkel stellen. Was genau ist denn eigentlich ein hochqualifizierter Gebrauchshund? Ein Hund, der in Fährte, Unterordnung und Schutzdienst annähernd perfekt zu funktionieren hat? Nur mit ihm sind schließlich hohe Punktzahlen möglich.  Und hohe Punktzahlen stärken ja bekanntermaßen das Persönlichkeitsprofil des Zweibeiners. Da spielt es schließlich auch keine nennenswerte Rolle, welche Qualitäten der Hund als Sozialpartner oder gegenüber nicht sportlich relevanten Umwelteinflüssen aufweist. Ein extrem und einseitig konditionierter Gebrauchshund mit herausragender Schutzdienstleistung ist sicher nicht gleichzusetzen mit einem hochqualifizierten Gebrauchshund. Vor allem dann nicht, wenn man den Tunnelblick einmal bei Seite lässt.
Was nützen herausragende Ergebnisse innerhalb der Disziplinen Fährte, Unterordnung und Schutzdienst, wenn genau dieser angeblich hochqualifizierte Hund instabil und zitternd beispielsweise vor einer Gittertreppe steht, weil er so etwas in seinem ganzen Leben noch nie gesehen hat. Diese und weitere enorme Schattenseiten einer Gebrauchstüchtigkeit konnte ich in rund 20 Jahren Polizeihundeausbildung bei vielen jungen Schäferhunden feststellen. „Als Schutzhund hochdotiert, als Gebrauchshund abgeschmiert!“

Das ja ständig heiß diskutierte Thema E-Gerät und Stachelhalsband löst nicht nur bei mir persönlich ein enorm ambivalentes Denken aus. Zum einen deckt sich der wissenschaftliche Beweis der Stressreduzierung  bei sachgerechter(!) Anwendung auch mit meinen praktischen Erfahrungen. Das hört sich gut an und liest sich auch gut: bei einem sachgerechten Umgang mit diesen Zwangsmitteln ist ein Hund deutlich weniger gestresst als bei alternativen Vorgehensweisen.
Auf den ersten Blick stellt sich deshalb sofort die Frage, ob die politische, gesellschaftliche und gesetzliche Ächtung  des E-Gerätes tatsächlich infolge Dummheit, Populismus und Opportunismus entstanden ist. Diese Frage beantwortet Herr Dr. Raiser im Grunde genommen unterschwellig selbst mit einem NEIN! Denn er führt das klassische Beispiel an, dass das Skalpell in der Hand eines Chirurgen unbedenklich und effektiv, in der Hand eines Schimpansen aber gefährlich sei. Dem ist gänzlich zuzustimmen,  nur habe  ich  25 Jahren Berufspraxis feststellen müssen, dass jeder Schimpanse denkt, er sei ein Chirurg.   Gerade im Schutzhundesport war in der Vergangenheit der Missbrauch des E-Gerätes wesentlich häufiger zu sehen, als der von Anwendern erhoffte Nutzen. Zumal auch einige der renommierte Koryphäen im Schutzhundesport die nötigen „chirurgischen“ Kompetenzen vermissen lassen.
Das Grundsatzverbot zum E-Gerät sehe ich damit nicht als Resultat  der Unfähigkeit oder gar Dummheit von Politikern, sondern an dem unverkennbaren und unübersehbaren Missbrauch dieses Gerätes.  Sehr schade für die wenigen echten  „Chirurgen“. Wichtig dennoch, um den in deutlicher Mehrzahl befindlichen  „Schimpansen“ ein gefahrbringendes Werkzeug zu entziehen.
Eine Frage, die sich abschließend dennoch stellt, wäre: was genau läuft im Schutzhundesport falsch, wenn der Erfolg einer Gebrauchshundeausbildung auch heute noch derart eng mit Stachelhalsband und E-Gerät verknüpft wird? Und das nicht nur im Schutzdienst, sondern auch in der Unterordnung und sogar auf der Fährte. Eine sinnvolle Modifizierung der Prüfungsordnung ist notwendig und  keine Erklärungsversuche zum vermeintlich berechtigten Einsatz von E-Gerät und Stachelhalsband. Nur so hat oder hätte der Schutzhundesport eine Chance, seine immer noch abnehmende Akzeptanz in unserer Gesellschaft wieder zu erhöhen.

Im Übrigen muss noch richtig gestellt werden, dass es sich bei Aggressionsverhalten keinesfalls um eine Triebenergie handeln kann. Wenn auf der einen Seite wissenschaftliche Aussagen hervorgehoben werden (E-Gerät), können sie nicht auf der anderen Seite vernachlässigt werden.  Aggressionen haben nun mal nichts mit Trieb zu tun.  Am einfachsten ausgedrückt, handelt es sich bei aggressiven Handlungen um ein Vielzweckverhalten, das infolge entsprechender Konditionierung triebbegleitend eingesetzt werden kann. Dieser Sonderstatus der Aggression sollte gerade in der Gebrauchshundeausbildung eine besondere Berücksichtigung erfahren.
Es gibt keinen(!) Aggressionstrieb, weil Aggressionsverhalten stets von auslösenden Reizen (endogen/exogen) abhängig ist und nur anlassbezogen auftreten kann. Sehr wohl haben Hunde ein unterschiedliches Aggressionspotential, das letztlich im Rahmen einer Konditionierung eingesetzt werden kann, oder auch nicht.

Fast schon mit Zynismus versehen wirkt auf mich die Aussage, dass kluges Gestalten von Lernprozessen zu einer Übereinstimmung von Hunde- und Hundeführerinteressen führe. Diese Aussage wird grundsätzlich dann ad absurdum geführt, wenn eine Übereinstimmung darin bestehen soll, die emotionale Welt des Hundes in möglichst annähernder Perfektion an die Inhalte einer der Vorstellung des Menschen entsprechenden Prüfungsordnung zu koppeln. Da scheint die Zeit dann doch stehen geblieben zu sein.

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Gedanken zum Schutzhundesport und dem Interview mit Dr. Helmut Raiser von Dr. Udo Gansloßer

Lüg nicht, dann brauchst Du dir nichts zu merken!

Interview mit Dr. Helmut Raiser

Schutzhundesport ist nicht neu, ganz im Gegenteil, er hat eine neue lange Tradition. Bereits 1906 fand der erste Schutzhundewettbewerb statt. Seither ist die Begeisterung für diesen Sport ungebrochen, lediglich die Prüfungsinhalte wurden modifiziert. Kern der Prüfungen sind heute die Selbstverteidigung des Hundes sowie die Verteidigung des Hundeführers. SitzPlatzFuss diskutiert im Interview mit Dr. Helmut Raiser vom RSV2000 e.V., was den Schutzhundesport bis heute so interessant macht und warum er noch immer seine Berechtigung hat.

SitzPlatzFuss: Herr Dr. Raiser, was fasziniert Sie persönlich am Schutzhundesport und wo sehen Sie dessen Berechtigung?

Dr. Helmut Raiser: Man kann Golf fahren, Porsche fahren ist aber spannender.

Dr. Udo Gansloßer: Ein Hund soll doch kein Sportgerät sein. Der Vergleich hinkt auf allen 4 Rädern, vom Umweltschutzgedanken des hohen Spritverbrauchs beim Sportwagen mal ganz abgesehen. Verhaltensbiologisch spricht man hier vom erweiterten Phänotyp, wenn solche Statussymbole verwendet werden, um die eigenen bescheidenen Fähigkeiten zu steigern.

Anders ausgedrückt – mich fasziniert die Arbeit mit einem hochqualifizierten Gebrauchshund. War es anfänglich nur Spaß, ist es im Laufe der Zeit mehr und mehr eine Verantwortung gegenüber dem Hund und der Gesellschaft geworden.

Dr. Udo Gansloßer: Das verstehe ich nicht. WEDER der Hund noch die Gesellschaft braucht das. Bereits hier kommt durch, was sich als wissenschaftliches Urteil über die Gesamtargumentation zieht: ES GIBT KEINEN AGGRESSIONS-, WEHR- o.ä. TRIEB. Aggression ist immer die Reaktion auf störende äußere Reize. Genau da irrte KONRAD LORENZ – und viele, die sich auf ihn beziehen. Also BRAUCHT der Hund DIESE Form der Beschäftigung nicht. Er kann auch anders und tiergerecht/er ausgelastet werden. Und was die Gesellschaft betrifft: Die mag Diensthunde in der Hand von Polizist/inn/en brauchen, so wie sie evtl. Leopardpanzer in der Hand professioneller Soldaten brauchen mag. Aber deswegen käme doch auch keiner auf die Idee Motorsport mit scharf munitionierten Kampfpanzern zu erlauben – und den Freizeitsoldaten auch noch zu erlauben auf dem Weg zum und vom Übungsplatz diese Panzer durch die Straßen zu steuern…

Damit hätte sich auch die Frage nach der Berechtigung geklärt. Die meisten Hunde wurden einmal für einen konkreten Nutzen gezüchtet, es gab einen Grund, warum man sie brauchte. Das wird heute leider entweder häufig vergessen, oder aber die Menschen sind mit solchen Hunden überfordert  – weil sie diese unterfordern. Wer einen Schäferhund als reinen Begleithund möchte, der sollte sich, wenn er einen Hund aus den Leistungslinien nimmt, Gedanken darüber machen, wie er den Hund beschäftigt und ihn auslastet.

Dr. Udo Gansloßer: Stimmt. Aber eben so, dass es hundegerecht ist. Und viel besser wäre, so wie viele Jagdhundezüchter es machen, eben Hunde nur an Leute abgeben, die sie jagdlich führen, Arbeitshunde aus z.B.  Schäferhundzuchten, nur an Diensthundeführer/innen abzugeben. Wobei auch noch ein anderes Missverständnis zu beseitigen wäre: Nach Ansicht der führenden Hunderassenkenner darf man eben NICHT erwarten, dass ein Hund (sog. Showlinie) nur weil er sich schlechter zur Arbeit eignet, deshalb ein besserer Familienhund sein muss.

SitzPlatzFuss: Welche Voraussetzungen sollte ein Mensch mitbringen, der den Schutzhundesport aktiv betreiben möchte?

Dr. Helmut Raiser: Ein gewisses Alter und eine gewisse Reife sollten vorhanden sein, ein Schäferhund ist kein Kinderspielzeug. Ansonsten sollte nur die Bereitschaft vorhanden sein, sich sachkundig zu machen, welche Gesetzmäßigkeiten in Erziehung und Ausbildung zu berücksichtigen sind.

Dr. Udo Gansloßer: Mindestens ebenso wichtig wäre eine fundierte Kenntnis des Sozialsystems und der Sozialbeziehungen, von Stressverhalten, physiologischen Grundlagen des Verhaltens etc.

Das Grundproblem liegt häufig in der Unwissenheit über die Unterschiede zwischen der menschlichen und der hundlichen Kommunikation. Hunde kommunizieren primär über Körpersprache, Menschen eher verbal.

Dr. Udo Gansloßer: Hunde können, wie wir heute wissen, sehr viel aus verbaler Kommunikation des Menschen erschließen.

Wer die Gesetzmäßigkeiten des Lernens und der Kommunikation nicht verstanden hat,

Dr. Udo Gansloßer: Eben. Und dazu gehört z.B. daß man unter Streß schlecht lernt

wird grundsätzlich nicht mit einem Hund zurecht kommen, im Schutzhundesport erst recht nicht. Hinzu kommt, dass, wer Schutzhundesport aktiv betreiben möchte, in der Lage sein muss, Konfliktmanagement zu betreiben. Das kann längst nicht jeder.

SitzPlatzFuss: Was genau meinen Sie damit?

Dr. Helmut Raiser: Konfliktlösung erfolgt durch Aggressionen

Dr. Udo Gansloßer: Auch Aggression ist adaptiv. Aggression ist ein Verhalten zur Wiederherstellung der äußeren Allostase, also des derzeit erwünschten äußeren Gleichgewichts z.B. in Form der Individualdistanz.

oder adaptives Verhalten. Aggression mit Aggression zu beantworten ist häufig riskant, das geht meist schief. Gute Schutzhunde sind äußerst triebstark

Dr. Udo Gansloßer: Das ist wieder das Problem. Dr. Dorit Feddersen-Petersen hat wohl mal gesagt: Im Schutzdienst erfindet man Triebe, die gibt es gar nicht – oder so ähnlich. WAS bitte heißt triebstark, noch dazu wenn das betreffende Verhalten gar kein TRIEB sondern eine Reaktion auf Außenreize ist.

und haben gute Nerven. Ein Mensch, der sich nicht unter Kontrolle hat und mit diesen starken Hunden nicht intelligent umgehen kann, ist fehl am Platz. Andererseits ist interessant, wie immer mehr Frauen im Hundesport Höchstleistungen zeigen, was deutlich macht, dass nicht die physische Kraft, sondern die Intelligenz und mentale Stärke ausschlaggebend sind.

SitzPlatzFuss: Warum hat man aber immer den Eindruck, dass gerade auf vielen Hundeplätzen (wo Schutzhundesport betrieben wird) so viele schlimme Dinge mit Hunden geschehen? Ich spreche da von Dingen wie Timing, dem E-Gerät oder Stachelhalsbändern.

Dr. Helmut Raiser: Die Frage ist eigentlich im vorigen Abschnitt beantwortet. Auf vielen Hundeplätzen stand früher Tierquälerei auf der Tagesordnung, weil Aggressionen mit Aggression beantwortet wurde, allerdings mehr aus Unwissenheit und Dummheit, denn aus Absicht. Ich kenne keinen von meinen alten Hundekumpels, die auf den Trainingsplatz gegangen sind um ihren Hund zu quälen, wenngleich ich häufig Tierquälerei gesehen habe. Das war damals in den siebziger Jahren mein Beweggrund, mit meiner Seminartätigkeit zu beginnen. Früher gab es eine andere Sensibilität dem Tier gegenüber und auch die Gesellschaft hatte eine andere Betrachtungsweise. Das hat sich in den Jahren, in denen ich Hundesport betreibe, deutlich verbessert. Zum einen dank des unermüdlichen Einsatzes von Seminarleitern, aber auch durch verbesserte Techniken und Hilfsmittel in der Ausbildung. Gerade das viel umstrittene E-Gerät hat die Hundeausbildung tiergerechter, humaner und effektiver gemacht. Der Gebrauch des E-Gerätes wird aus reiner Dummheit, Populismus und Opportunismus tabuisiert. Heute ist sogar wissenschaftlich erwiesen, was wir Empiriker schon lange wissen, dass das E-Gerät bei sachgerechter Anwendung/in entsprechenden Situationen das mildeste unter den möglichen Mitteln ist und den größten Lerneffekt beinhaltet. Politiker verweigern seit zehn Jahren hartnäckig diesbezüglich ihre Hausaufgaben zu machen; wenn man dieses Thema rational angeht, gewinnt man nicht gerade Wählerstimmen und Popularität.

Dr. Udo Gansloßer: Hierzu hat Kollege Thomas Baumann sich schon ausführlich genug geäußert, ich schließe mich dem voll an. Um aber auch noch einen preußischen König zu zitieren: „Man kann mit Bajonetten vieles tun, nur nicht darauf sitzen“. Und Gleiches gilt für Stromstoßgeräte und Stachelhalsbänder: Man kann darauf KEINE solide, dauerhafte Beziehung aufbauen

Es müssen personelle und strukturelle Voraussetzungen für eine wesentlich stärker fachlich konzipierte und kontrollierte Ausbildung geschaffen bzw. gewährleistet werden, das geht nur über Aufklärung und Wissensvermittlung. Wie sagte so schön der Alte Fritz (Friedrich II, König von Preußen): „Wenige Menschen denken und doch wollen alle entscheiden!“ Dieses Thema ist ein rein emotionales. Mit Objektivität hat das nichts zu tun. Gleiches gilt für den Gebrauch von Stachelhalsbändern. Ein Hilfsmittel ist immer (nur) so gut wie der, der es anwendet. Sie kennen sicher die Geschichte mit dem Unterschied des Skalpells in der Hand des Schimpansen und des Chirurgen!

SitzPlatzFuss: Ist Schutzhundesport aus ethischer Perspektive noch zu rechtfertigen (Kulturgut auf der einen, mittel zum Zweck auf der anderen Seite)?

Dr. Helmut Raiser: Natürlich. Die Sache ist ganz einfach und ist mithilfe einer einfachen Kausalkette erklärt. Wir bilden Hunde aus und trainieren sie, um sie dann auf Prüfungen zu sichten, sie darauf hin zu selektieren, sie der Zucht zuzuführen, um am Ende den Gebrauchshund als Kulturgut zu erhalten.

Dr. Udo Gansloßer: Das ist höchst bedenklich. Erstens wir der Hund hier eindeutig instrumentalisiert und zweitens hinkt die Ansicht mit dem sog. Kulturgut: Mit dieser Begründung rechtfertigen doch auch die Spanier die Stierkämpfe und die Engländer die Fuchsjagd mit Hunden und Reitern hinter dem lebenden Fuchs. Ich glaube nicht, dass irgendjemand der einen Hund als Sozialpartner schätzt ,sich dieser Diktion anschließen wird!!

SitzPlatzFuss: Was ist unter „Pressing im Schutzdienst“ zu verstehen?

Dr. Helmut Raiser: Unter „Pressing“ versteht man die Bündelung der Triebenergien.

Dr. Udo Gansloßer: Die es eben allgemein gesagt nicht gibt, zumindest nicht in dieser Form.

Trainiert wird also eine Triebbeständigkeit.

SitzPlatzFuss: Welche „Triebenergien“ gibt es Ihrer Definition nach?

Dr. Helmut Raiser: Wir sprechen in diesem Fall von „trieblichen Funktionsbereichen“. Da wären Hunger (Beuteverhalten), Liebe (Sexualverhalten)

Dr. Udo Gansloßer: Hunger ist biologisch was Anderes als Beutefangverhalten. Und allein die Beutefanghandlung eines Wolfes, von dem ja der Hund abstammt, besteht aus mind. 7 verschiedenen Bestandteilen, jeder mit unterschiedlichem Verhältnis von innerer Handlungsbereitschaft zu äußerer Stimulusstärke, Taxis, Appetenzverhalten etc… Liebe und Sexualität sind gerade bei Hunden auch ganz verschiedene Baustellen!

, Flucht (Meideverhalten, adaptives Verhalten)

JEDES Verhalten das nicht pathologisch ist ist/war adaptiv….

und Aggression (Aggressionsverhalten).

Dr. Udo Gansloßer: Aggression hat MINDESTENS 3 ganz verschiedene Bereiche: Selbstschutz, elterlicher Schutz, Wettbewerb, und bei letzterem nochmal mind. 3 – 4 verschiedene Hormon- und neurobiologische Systeme.

SitzPlatzFuss: Was genau bedeutet das für die Ausbildung?

Dr. Helmut Raiser: Ausbildung ist in erster Linie Konfliktmanagement. Ich habe einen Konflikt der folgendermaßen aussieht: Der Hund will sein Triebziel, der Hundeführer will Prüfungspunkte. Im Konflikt kann es nun entweder dazu kommen, dass der Hund adaptiert, sich also anpasst, oder aber, dass er sich durchsetzen will. Intelligente Ausbildung entwickelt die Persönlichkeit des Hundes und durch kluges Gestalten von Lernprozessen

Dr. Udo Gansoßer: Genau darauf kommt es an. Und das gilt eben, was Thomas Baumann sagte, leider nicht nur für die Starkzwanghilfsmittel, sondern diese gesamte Form der Beschäftigung: Es gibt eben viel mehr Schimpanses als Chirurgen. Und wenn man dann noch bedenkt dass, wie mehrfach dargelegt, kein Hund den Schutzdienst als verhaltensgerechte Auslastung BRAUCHT, sollte man eben lieber den paar Chirurgen andere Beschäftigungen mit dem Hund an die Hand geben als den Schimpanses das Skalpell zu lassen…

kommt es zur Übereinstimmung von Hunde- und Hundeführerinteressen. Ein gelungenes Ausbildungsergebnis zeigt die ganze Triebstärke eines Hundes in perfekter Technik und das bei vollkommener Koordination/Harmonie zwischen Hund und Hundeführer. Wer das mit seinem Hund erreicht hat, weiß wie schön das für beide ist.

Dr. Udo Gansloßer: Dann können Sie auch Dogdance oder anderes Trickdogging machen. Wobei ich nicht bestreite daß man auch das nicht nur hunde- und verhaltensgerecht machen kann…aber da ist die Harmonie und Ästhetik noch viel größer….

Wer das mit seinem Hund erreicht hat, weiß wie schön das für beide ist.

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14 Gedanken zu „Stellungnahmen zum Thema Schutzhundesport

  • 23. September 2013 um 10:33
    Permalink

    Sehr geehrter Herr Dr. Ganslosser

    Was da wieder losposaunt wird, über den IPO-Sport, ist doch wieder sowas von Nichverstehen und Ignoranz
    der Natur gegenüber.
    Ihr müsst endlich mal aufhören, den Hund zu sehen wie einen Menschen, obwohl das Raubtier Mensch das
    Brutalste und Nutzloseste überhaupt ist. Man siehe mal die U-Bahn-Mordopfer.
    Für ein Tier gibt es nicht Spass, Freizeit, Arbeit etc., das sind menschliche Begriffe. Wenn ein Hund eine Beschäftigung macht, ist es für ihn immer existentiell. So und nun kommen wir zum eigentlichen Thema.
    Der IPO-Sport ist der einzige Sport, der dem Raubtier Hund gerecht wird. Der Hund kann seine sämtlichen
    Anlagen ausleben und einsetzen, darum hat ihm die Natur diese mitgegeben. Ich spreche extra nicht von Trieben, weil die meisten Leute nicht wissen, was genau das ist. Es sind eigentlich Raubtiereigenschaften, die
    dem Hund zur Erreichung seiner Arterhaltung mitgegeben wurden. Dazu gehört fährten, ausmachen eines potentiellen Beutetieres, Teamarbeit (Unterordnung) zum Jagen von grösseren Beutetieren und natürlich das
    Erlegen des Beutetieres (Schutzdienst). Das ist die Natur des Raubtieres Hund. Nach meiner Meinung sollten die Menschen endlich mal aufhören alles zu vermenschlichen, ob es beim Pferd oder Hund ist. Ich liebe genau diese Tiere, weil sie Ihre ganz speziellen Eigenschaften Hund (eines Raubtieres) Pferd (Beutetier/Fluchttier) haben.
    Was sie da über Agressionsverhalten schreiben, ist ja sowas von Unsinn. Agression ist bei jeder Spezies
    ein ganz normales Verhalten. Revierverteidigung, Verteidigung oder Erkämpfung von Jagdresourcen oder bei Beutetieren erjagen oder erobern von weiblichen Herdenmitgliedern. Das ist normal und für ein Tier lebensnotwendig. Nur müssen wir in unserer zivilisierten Welt, diese Agressionen bei unserem Teampartner und
    Rudelmitglied kontrollieren können.
    Dies kann ich aber nur, wenn ich diese Verhaltensweisen auch verstehe und akzeptiere und nicht immer das
    heile Weltgerede praktiziere. Da werden Pferde totgeliebt, obwohl sie das hassen, zeigt Pferdi dann Verhaltens-
    auffälligkeiten, weil er 24 Stunden in der Box stehen muss, nicht mit seinen Kumpels rausdarf, wegen Verletzungsgefahr, dann kommt schon irgendein Pferdeflüsterer der das wieder kuriert, ansonsten wird Pferdi an die nächste ach so tierliebe Person weiterverkauft. Bei Hunden dasselbe, gnadenlos unterbeschäftigt oder falsch
    beschäftigt, überfüttert weil nur auf dem Sofa rumlümmeln und Fernseh schauen.
    Wieso haben wir denn diese ganzen Beissunfälle, weil die Leute nicht mehr wissen, was ein Hund ist. Ich kann
    keinen Hund erziehen, nur mit Leckerli und dem Clicker in der Hand. Manchmal muss ich meinem Rudelkollegen schon mal erklären, was ich möchte und was nicht. Zudem jetzt komm ich wieder zum Raubtier, Hunde wollen was tun und zwar ihrem Raubtiercharakter entsprechend.
    Ich betreibe seit meiner Kindheit Pferdesport und Hundesport, beides wunderschöne Sportarten, die auch dem
    Tier nützen, solange man es mit Verstand betreibt. Ich bin ein absoluter Verfechter vom IPO Sport, weil meine
    Hunde (Malinois früher Dt. Schäferhund) da artgerecht beschäftigt werden. Zudem lerne ich beim täglichen Training meine Hunde sehr gut kennen und sie mich. Ich hatte noch nie Hunde mit Verhaltensauffälligkeiten, nur
    meine Hunde lümmeln nicht auf dem Sofa rum, sie haben keinen Fernseher und ich laufe auch nicht mit ihnen im Dorf spazieren. IPO-Ausbildung ist immer auch Problembewältigung, wenn ein Tier im Laufe seiner Ausbildung lernt, Probleme seiner Art gerecht zu bewältigen, wird es auch in seinem Wesen fester und sicherer.
    Wieso gibt es einen Martin Rütter? Diese Leute mit ihren Problemhunden, sind keine IPO-Hunde sondern kommen meistens aus dem Tierschutz und gehören immer Hundehaltern, die ihrem Hundi noch nie was getan haben. Komischerweise haben genau diese Leute Probleme mit Raufen, Kinder beissen, die ganze Familie tyrannisieren etc.Zum Thema Hilfsmittel, egal was (eine Gerte kann mehr Schmerzen bereiten, wie ein E-Gerät
    etc.) bin ich für Aufklärung und nicht für Verbote. Verbote haben immer den Effekt, dass sie heimlich eingesetzt werden, was nicht unbedingt förderlich ist. Glauben sie aber ja nicht, nur im IPO-Sport werden Hilfsmittel eingesetzt, da betreibt ihr sowas von Augenwischerei. Es gibt genug Privatleute die ihren Hund mit dem Tele abschiessen und die haben keine Ahnung und der Hund hat vorallem vorab keine Ausbildung genossen. Glauben sie auch bloss nicht, dass in den von Euch so propagierten Sportarten wie Agility oder Obidience keine Hilfsmittel genommen werden, nur den Leuten traut man es nicht zu, also wird es auch nicht kontrolliert oder heimlich auf den Plätzen gefilmt.
    Unsere Funktionäre haben leider was unseren IPO-Sport angeht, nie richtig Farbe bekannt und seitdem passiert irgendwas mit einem Hund, sind generell wir schuld. Das ist echt zum Kotzen. Es muss einfach mal Klartext geredet werden und vorallem wir alle müssen endlich zu unserem Sport stehen und ihn dementsprechend auch verteidigen und nicht immer der Fifi-Fraktion nachgeben. Gewisse Kreise vorallem aus dem Tierschutzlager, schiessen immer gegen unseren Sport . Komischerweise passieren aber gerade Beissunfälle und dass Hunde zigmal weitergereicht werden, fast ausschliesslich mit Hunden die aus solchen Organisationen kommen oder bei
    Privatleuten, die gegen jegliche Ausbildung sind.
    Vielleicht sollten wir mal die Kompetzenz und die Sachkunde von diesen Leuten in Frage stellen, was ich schon
    seit langer Zeit mache.
    Man muss den IPO-Sport anders beschreiben, zudem besteht er ja auch nicht nur aus Schutzdienst. Unterordnung und Fährte verlangen heute genausoviel ab und bedürfen einer sehr seriösen Ausbildung. Nur mit dem E-Gerät und dem Stachel geht da gar nichts. Ich muss meinen Hund sehr gut konditionieren und vorallem gymnastizieren, da er sonst keine Ausstrahlung bringt und seinen Körper nicht dementsprechend einsetzen kann. Wenn man sich die Ergebnisse der letzten FCI WM ansieht und das Fährtengelände, dann weiss jeder der eine Ahnung hat, dass da im Vorfeld sehr viel Fleiss dahintersteckt, jedes Gelände zu trainieren. Denkt ihr wirklich ernsthaft, dass man nur mit Zwang eine Fährte hinkriegt. Nein, es ist Fleiss und viel Arbeit, dem Hund jedes Gelände und jede Fährtenform zu zeigen und ihn darauf sicher zu machen, das kann man mit Zwang nicht
    erreichen, da gibt Hund nämlich auf, wenn es schwer wird, weil er Angst hat vor der Korrektur.
    Ich wäre dafür, dass Ihr in Euren Zeitschriften endlich mal mit diesen Augenwischereien aufhört und vorallem dieses heile Welt gepredige. Die Natur, somit unsere Tiere sind nicht lieb und kuschelig. Sondern es sind Hunde weitergezüchtet und domestizierte Raubtiere, die artgerecht ausgebildet und beschäftigt werden möchten.
    Schwarze Schafe gibt es in jedem Sport ganz egal in welchem und solange es Menschen betreiben, wird es die auch immer geben.

    • 28. September 2013 um 14:30
      Permalink

      Das Hunde von ihrer Herkunft her in Familienverbänden sozial lebend und Beute jagend sind, stimmt schon. Daraus abzuleiten, es wäre der Verhaltensbiologie des Hundes entsprechend, um ein künstliches Hindernis, dieses Zeltchen-Dreieck, genannt Versteck, im Kreis herum und weiter zum Nächsten, oder dann zum Pikör/Wie auch immer am Arm packend zu gehen, doch weit hergeholt. Ähnlich weit wie Jan Njiboers Futterbeutel-Prey Dummy. Man denke an Günther Bloch’s Pizzahunde die DVD. Die leben auch zufrieden ohne das Drumherum. Weder glaube ich dass das biologisch notwendig ist, noch dass zwingend daraus Zeitbomben werden. Sorgfältig ausgebildet kann das schon gehen. Für mich ist VDH Zeugs nichts. Und mein Hund leidet auch nicht darunter – dafür gibt es bekannte Referenzsignale.

  • 18. September 2012 um 09:13
    Permalink

    Meine Meinung nach ;
    Ein richtig sozialierter und menschenliebender Hund wird nicht durch richtig geführtem Training im Sport-Schutzdienst zu einem gefährlichem Hund gemacht.
    Er liebt es, den Schutzarm zu erbeuten , mehr nicht. Mein Hund liebt diese Beschäftigung und wenn der Figurant sein Schutzarm abgelegt hat, wird er von meinem Hund geküsst und freundlich begrüsst, wie jeder anderer Mensch, der meinen Hund streicheln möchte…
    Die Extreme machen es, dass im Schutzhundesport einiges schief läuft. Ja es stimmt, dass manche Hundefüher und Züchter nur Punkte bei der Prüfungen sammeln und ihre Hunde kennen nichts Anderes, als Zwinger und Hundeplatz und werden dann nicht so geführt, dass sie die Welt ausserhalb richtig kennenlernen.
    Andersrum gibt es viele Hunde, die ihre Hundeführer zu Plüschtieren machen wollen, diese können vielleicht Sitz und Platz befolgen und in allen anderen Situationen handeln diese Tiere nach eigenem Kopf, was viel gefährlicher werden kann, als wenn sie gelernt hätten, so zu reagieren, wie es ihnen der Hundeführer erlaubt. In meinem Leben durfte ich schon zweimal Besitzerin von ausgedienten Schutzhund werden . Wahrscheinlich hatte ich Glück und diese Beide Hundedamen ( NO und Dobermann ) stammen aus Händen von Chirurgen, nicht Chimpansen. Sie waren Beide bereit zu verteidigen und zu schützen, genauso wie sie bereit waren sich von jedem, der es wollte und sich die Erlaubnis bei mir gefragt hatte, streicheln zu lassen, inklusiv Kinder. Keine Waffe schiesst von sich selbst los, immer muss eine Hand erst abdrücken. Die Disskusion ist also für mich nicht richtig formuliert, es geht immer um den Mensch, der dafür verantwortlich ist, wie und was er aus seinem Hund macht.
    Hunde, die ich erlebt, gesehen, oder über sie gehört habe, dass sie einen Mensch gebissen haben, waren gerade die Hunde, die nichts gelernt haben, ausser ihren Mensch spazieren zu führen.
    Sie haben eben nur gelernt, selbst zu entscheiden, wann es für sie so weit ist, ihre Zähne einzusetzen.

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